Samstag, 2. Oktober 2010

27.07.2010 – 27.08.2010: Zentrales Hochland – Silberreichtum und koloniales Erbe


28.07.2010 – Die Silberstadt Taxco


Die Straße von Acapulco nach Taxco, dem ersten Ziel auf unserer Fahrt durch das zentrale mexikanische Hochland, steigt gleich nach der Küste stark an. Wir überquerten die Sierra Madre del Sur, eine über 1000 km lange Gebirgskette, die sich entlang der Pazifikküste im Süden Mexikos erstreckt. Hier, wie auch im zentralen Hochland, herrschen das ganze Jahr über angenehme klimatische Bedingungen. Die feuchte Hitze der Küste lag erst einmal hinter uns.


Nach einer angenehmen Fahrt erreichten wir Taxco. Statt kurz vor der Stadt zu übernachten machten wir den Fehler und sind noch am gleichen Abend in die Stadt gefahren. Es gibt nur eine Durchgangsstrasse, die von einem Auto unserer Größe befahren werden kann. Der Ort selbst schmiegt sich an den Hang des El-Atache-Berges und hat solch enge und steile Straßen, dass gerade mal Mopeds oder kleine Autos durchkommen. Im Ort gab es für unser Wohnmobil keine Parkmöglichkeit und nach einer nervenaufreibenden Stopp and Go-Fahrt hatten wir es nach einer Stunde geschafft – wir standen am anderen Ende der Stadt, aber immer noch ohne Park- oder Übernachtungsmöglichkeit. Mittlerweile war es schon dunkle Nacht.


In der nächsten Ortschaft fanden wir dann einen kleinen Lebensmittelladen, vor dem wir die Nacht verbringen durften. Am Morgen wurden wir schon vor 06:00 Uhr vom lauten Verkehr auf der Straße geweckt. Knapp zwei Stunden später starteten wir den 2. Versuch, eine Parkmöglichkeit in Taxco zu finden. Ein etwas ungutes Gefühl hatten wir schon, als wir unseren Hobby an der noch geschlossenen Tourist-Info, quer über die einzigen 3 PKW-Parkplätze, abstellten und mit einem Käfer-Taxi zum Zocalo fuhren. Erst auf dieser abenteuerlichen Fahrt durch die verwinkelten Gassen der Altstadt wurde uns bewusst, dass wir auch mit einem normalen PKW kaum durch die Stadt gekommen wären. Die Straßen sind so schmal, dass gerade ein Auto fahren kann – aber es gibt Gegenverkehr. Der Taxifahrer kannte genau die Stellen, an denen er vor der Kurve hupen musste und wo die wenigen Ausweichmöglichkeiten sind. An manchen spitzen Kurven musste er mehrmals zurückstoßen, um überhaupt weiter zu kommen. In dieser Stadt, mit ihren steilen kopfsteingepflasterten Gassen, ist der heckgetriebene VW-Käfer das einzig vernünftige Fahrzeug. Wir sahen auch kein anderes Taxi in Taxco.


Am Zocalo angekommen standen wir staunend vor dem Wahrzeichen der Stadt, der Kirche Santa Prisca. Erbaut aus rötlichem Sandstein, mit üppig verzierter Fassade und Glockentürmen, ist sie ein Meisterwerk kolonialer Kirchenbaukunst im Churriguera-Stil, eine Art hispanisches Rokoko. Die Kirche wurde von dem französischen Einwanderer und in Taxco zu großem Reichtum gekommenen Silberbaron Don José de la Borda finanziert und der Stadt zum Geschenk gemacht.


Auch im Inneren ist die Kirche verschwenderisch ausgestattet. Zwölf geschnitzte und goldüberzogene Altäre zu beiden Seiten des Hauptschiffes, prachtvolle Gemälde und der vergoldete Hauptaltar zeugen vom damaligen Reichtum dieser Stadt und ihrer Minenbesitzer.


Nach der Besichtigung der Kirche ließen wir uns durch das enge Gewirr der Straßen treiben. Die Stadt steht komplett unter Denkmalschutz, sie kam uns vor wie ein großes Museum. Neben den prächtigen Kolonialbauten wie der Casa Borda, das Wohnhaus des Kirchenstifters, der Casa Figuera oder der Casa Humboldt, in dem der deutsche Forscher Alexander von Humboldt einige Zeit wohnte, waren es auch die weniger spektakulären Details, die Taxco so attraktiv machen.


Da sind die schönen Kachelfassaden, die schattigen Patios und Innenhöfe, die kunstvollen Schmiedearbeiten sowie die vielen Läden und Gaststätten, die sich in den ineinander verschachtelten Häusern verstecken und manchmal erst auf den zweiten Blick zu erkennen waren.


Nach der interessanten, aber auch anstrengenden Besichtigung dieser faszinierenden Silberstadt fuhren wir im Käfer-Taxi zurück zur Tourist-Info. Unser Hobby stand noch völlig unbeschadet da, die netten Mitarbeiter der Information hatten ein wachsames Auge auf unser Wohnmobil.


02.08.2010 – Valle de Bravo


Von Taxco fuhren wir auf der Mex 55 in Richtung Toluca, als uns ein Schild mit der Aufschrift „Mirador“ (Aussichtspunkt) neugierig machte. Wir bogen von der Straße ab und standen kurz darauf am Rande eines Canons, der in keinem Reiseführer beschrieben ist.


Es war ein großartiger Ausblick! Die steilen Felswände verloren sich in der Ferne in bewaldete Abhänge und ganz tief unten war als braunes Band der Fluss zu erkennen, der diese Landschaft in Millionen Jahren geschaffen hatte. Wir waren uns schnell einig, dass wir an diesem schönen Ort übernachten wollten. Am nächsten Morgen war die Schlucht mit Frühnebel ausgefüllt, der sich mit der aufgehenden Sonne auflöste und den Blick auf den gemächlich dahin fließenden Fluss freigab.


Zwei Rancheros kamen aus dem benachbarten Haus um uns zu begrüßen. Obwohl sie hier wohnten zeigten sie sich ebenso beeindruckt von dem einmaligen Panorama wie wir.


Erst gegen Mittag fuhren wir weiter. Über Toluca, vorbei an dem 4632 m hohen Vulkan Nevado de Toluca, erreichten wir Valle de Bravo; eine kleine Kolonialstadt am Stausee Avandaro gelegen.


Valle de Bravo ist, besonders bei den Hauptstädtern, ein beliebtes Nahreiseziel und vor allem an diesem Wochenende schien die Stadt aus allen Nähten zu platzen. Die Altstadt war mit Autos verstopft, einige Straßen waren für Veranstaltungen gesperrt und unzählige Menschen bummelten durch die engen Gassen.


Wir hatten uns wieder mal den richtigen Tag ausgesucht – es war Sonntagnachmittag, als wir uns inmitten einer Autokolonne durch die Stadt quälten. Trotz der engen Straßen gab es kein Parkverbot am Straßenrand. Was halfen uns in dieser Situation die sicher gut gemeinten Warnungen einiger Passanten, dass die weiteren Straßen für unser Wohnmobil zu eng wären. Wir konnten weder anhalten noch umkehren – wir mussten durch. Zweimal ist Petra ausgestiegen, um mich an ganz engen Stellen einzuweisen, und dann hatten wir es endlich geschafft.


Wir waren glücklich, als wir auf dem schön gelegenen Campingplatz am südlichen Seeufer unseren Hobby eingeparkt hatte. Der lustige Campingplatzbesitzer hatte dann noch einen ganz tollen Gag für uns – er fragte, warum wir nicht die Umgehungsstraße um die Stadt gefahren sind. Die Antwort wusste nur unser Navigationssystem! Nun gut, jetzt kennen wir wenigstens Valle de Bravo von unserer Stadtrundfahrt.


Entschädigt wurden wir von dem herrlich gelegenen Bergsee. Umgeben von Wäldern und kleinen Dörfern erinnerte er uns an die oberitalienischen Seen. Seine schöne Lage, die saubere Luft und das angenehme Klima in 2500 m Höhe hatte, neben den vielen Tages- und Wochenendtouristen, auch einige Superreiche angezogen, die sich am Seeufer exklusive Ferienhäuser bauen ließen. Die meisten dieser Villen liegen versteckt hinter hohen Mauern und sind nur von der Seeseite aus zu sehen.


Bei meinem Morgenspaziergang mit Basko kam ich mit Antonio, einem Unternehmer aus San Miguel de Allende, ins Gespräch. Ganz spontan lud er uns zu einer Rundfahrt auf dem See ein. Vorbei an Valle de Bravo und an den umliegenden Villen umrundeten wir den See und sahen so auch den unbebauten und naturbelassenen Teil des Sees mit sanften Uferlandschaften, Wasserfällen und den Brutplätzen verschiedener Wasservögel.


Bei Antonio hatten wir wieder einmal die typische mexikanische Gastfreundschaft kennen gelernt. Den Nachmittag verbrachten wir noch gemeinsam, bis Antonio seine Familie zum Aufbruch drängte. Er musste sich um seine Geschäfte kümmern und wir verbrachten noch drei erholsame Tage am See.


05. – 12.08.2010 – Prachtvolle Kolonialstädte


Nach der kurzen Erholungspause in Valle de Bravo begaben wir uns auf Besichtigungstour einiger Kolonialstädte im Umland von Mexiko City: Morelia, Guanajuato und Zacatecas standen auf unserem Programm. Diese drei Städte gehören zum UNESCO-Weltkulturerbe, und sie repräsentieren in gleicher Weise den überschwänglichen spanischen Baustil, gepaart mit dem handwerklichen Geschick der Indios. Prunkvolle Kirchen, herrliche Paläste und Stadthäuser, deren Einzigartigkeit man erst erkennt, wenn man einen Blick in den schattigen Innenhof mit Springbrunnen und offener Galerie werfen kann, gibt es in allen drei Städten zur Genüge. Und trotzdem hat jede dieser Städte ihren eigenen Charakter und eine touristische Besonderheit.


Morelia empfing uns mit aristokratischer Nüchternheit. Die Kolonialbauten im historischen Zentrum bestehen aus unverputztem Naturstein und geben der Stadt einen etwas kühlen Charakter. Die, aus rotbraunem Trachyt erbaute Kathedrale unterstreicht mit ihren klaren Linien diesen Stadtcharakter. Im Inneren steht eine monumentale Orgel des deutschen Orgelbauers Walcker aus Ludwigsburg.


Beeindruckt haben uns das Palacio Clavijero in der Bauweise der Jesuiten, heute ein Museum für moderne mexikanische Kunst, und das Colegio de San Nicolás de Hidalgo, die zweitälteste Jesuitenschule Lateinamerikas. Das historische Gebäude wird heute von der Universität genutzt.


Bei unserem Stadtspaziergang waren die Hinweise auf die touristische Topattraktion der Umgebung nicht zu übersehen. Ca. 60 km östlich der Stadt liegt das Überwinterungsgebiet der Monarch-Schmetterlinge, der extremsten Wanderschmetterlinge der Welt. Ab Mitte November treffen mehrere Millionen dieser Schmetterlinge, aus Kanada und den USA kommend, hier ein, nachdem sie eine Strecke von über 3000 km zurückgelegt haben. Leider waren wir für dieses einmalige Schauspiel zur falschen Zeit in Morelia – so ging es ohne Umwege weiter nach Guanajuato.


Schon weit vor der Stadt wurden wir von Touristenschleppern angehalten, die uns mit Angeboten für Hotels und Gaststätten überschütteten, uns vor der Weiterfahrt in die Stadt warnten und ihre Dienste als Guides anboten. Ganz nutzlos wäre eine solche Hilfe nicht gewesen, denn in Guanajuato gibt es eine Besonderheit. Eingezwängt in ein ausgetrocknetes Flusstal und zwischen den umliegenden Bergen konnte man die Verkehrsprobleme nur dadurch lösen, dass viele Straßen als Tunnel unter der Stadt verlaufen. Die Fahrt durch dieses Tunnelgewirr ist atemberaubend, erst Recht mit einem Wohnmobil. Unser Reiseführer schrieb dazu: „Die Tunnel sind alle miteinander verbunden und verschlungen, wie die Gedärme im Bauch. Eine Fahrt mit dem Auto durch Guanajuato gleicht einer Geister- und Achterbahnfahrt“.


Teilweise wurden alte Silberminen zu Straßentunneln ausgebaut, die an der Seite nur eine Höhe von 2,50 m haben und miserabel beschildert sind. Wir sind durch alle Tunnel in der Mitte, also auf zwei Spuren, gefahren, um nicht mit den herausragenden Steinen an der seitlichen Tunneldecke zu kollidieren. Es war wirklich aufregend und ich hätte jeden Umweg in Kauf genommen, nur um nicht noch einmal durch dieses Labyrinth fahren zu müssen. Das letzte Stück bis zum Trailerpark kürzten wir ab und fuhren eine Einbahnstraße in falscher Richtung. Die entgegenkommenden Autos hielten am Berg an um uns die Durchfahrt zu ermöglichen, die Fahrer winkten uns freundlich zu. Wie wäre es uns in dieser Situation in Deutschland ergangen?


Das historische Zentrum der Stadt war vom Trailerpark aus recht gut zu Fuß erreichbar. Jetzt hatten die chaotischen Straßentunnel auch wieder einen Vorteil, denn man konnte sie auch als Fußgänger benutzen. Manche Abkürzung war damit möglich. Guanajuato besitzt kein geordnetes Straßenmuster, wie sonst die meisten Kolonialstädte. Man kann sich aber kaum verlaufen, weil die Attraktionen der Stadt, wie die Universität, die Basilika oder das Theater Juárez, als Orientierung dienen. So ließen wir uns, völlig ohne Stadtplan, durch die engen kopfsteingepflasterten Gassen treiben; entdeckten immer wieder kleine Plätze mit Springbrunnen oder versteckte Cafes. Manche Gassen sind so schmal, dass sich die Bewohner der gegenüberliegenden Häuser küssen können, wenn sie sich aus dem Fenster lehnen. Sehenswert sind auch die verschachtelten Häuser, die auf Fels- oder Torbögen über den Straßen stehen und deren überhängende Balkone frei über den Straßenschluchten schweben.


Vom Papila-Monument, hoch über den Dächern der Stadt, hatten wir den besten Ausblick auf die Kirchen und Paläste, aber auch auf die farbenprächtigen Häuser, die den Charakter dieser Stadt prägen.


Das ungewöhnlichste in Guanajuato, und gleichzeitig die Touristenattraktion schlechthin, ist die bizarre Mumiengalerie. Als 1865 auf dem Friedhof alte Gräber wiederverwendet werden sollten, machte man die Entdeckung, dass die alten Leichen nicht verwest, sondern durch die trockene und mineralsalzhaltige Erde gut konserviert waren. Die Mexikaner haben einen ganz eigenen Umgang mit dem Tod und so stellten sie die Mumien in einem Museum aus. Diese makabre Ausstellung wird jedes Jahr von tausenden ausländischen Touristen, aber vor allem von Familien aus ganz Mexiko besucht. Wir waren schon etwas irritiert über die ausgestellten Mumien mit Haaren, Kleidung und teilweise furchterregenden Gesichtsausdrücken. Die Mexikaner sahen das wohl anders, sie waren sogar mit kleinen Kindern in der Ausstellung und posierten fürs Familienalbum.


Wir fuhren weiter nach Zacatecas. Petra hatte langsam keine Lust mehr auf die alten Städte, aber ich konnte mich mit dem Versprechen durchsetzen, dass es erst einmal die letzte Stadtbesichtigung sei. Ebenso wie Taxco und Guanajuato verdankt auch Zacatecas ihren Reichtum den Silberminen. Über 200 Jahre lang wurde in Mexiko fast die Hälfte der Weltsilberproduktion gefördert. Eine der ergiebigsten Minen war die legendäre Mine El Eden, aus der seit 1583 unglaubliche Mengen Silber, aber auch Eisen, Zink, Blei und Gold gefördert wurden. Heute ist El Eden eine Besuchermine, in der auch dargestellt ist, welchen Preis die einheimischen Arbeitssklaven für den Silberreichtum bezahlen mussten. Unter grauenhaften Bedingungen wurden die Indigenas, darunter auch viele Kinder, zur Arbeit in den Minen gezwungen, um die märchenhaften Schätze für die spanische Krone und einige wenige Silberbarone zu gewinnen.


Die Stadt wuchs schnell und zeigte hemmungslos ihren Reichtum. Am Besten ist dies an der Kathedrale zu erkennen. Sie besitzt eine, in ornamentalen Dekor geradezu explodierende Fassade und stellt damit den absoluten Höhepunkt des mexikanischen Churriguerismus dar. Die Fülle an Ornamenten, Blumen und Ranken, zwischen den Apostelfiguren und den 16 Säulen, ist kaum mehr zu überbieten und zeugt von der meisterhaften indianischen Steinmetzkunst.


Auch Zacatecas hat einen Hausberg, den 2700 m hohen Cerro de la Bufa. Mit der Seilbahn ging es schnell nach oben, von wo wir einen tollen Panoramablick auf die, zwischen kahlen Bergen eingezwängte Stadt mit ihren alles überragenden Kirchen, ihren krummen Gässchen und den verschachtelten Häusern hatten. Von hier oben sah man die Probleme der Stadt nicht – nur ganz leise drangen die Sprechchöre der Minenarbeiter, die vor dem Gouverneurspalast demonstrierten und auf ihre unzureichenden Lebens- und Arbeitsbedingungen aufmerksam machten, bis hier hinauf. Zacatecas ist heute eine moderne Stadt mit Industrie- und Forschungseinrichtungen am Stadtrand, manche Probleme sind aber so alt wie die Stadt selbst und bis heute nicht grundsätzlich gelöst.


Nach den drei eindrucksvollen Kolonialstädten sehnten wir uns nach etwas Ruhe in der Natur – ich hatte es Petra ja auch versprochen.


14.08.2010 – Nationalpark Sierra de Organos


Der Tipp von dem Schweizer Paar Maja und Hans kam uns gerade recht. Nach unserer Tour durch Mexikos reiche Silber- und Kolonialstädte freuten wir uns auf den Nationalpark Sierra de Organos. Erst im Jahr 2000 wurde das nur 11 km² große Areal zum Nationalpark erklärt. Berühmt war es schon viel früher. Die atemberaubende Landschaft aus Wüste, Steppe, zerklüfteten Felsen und den einmaligen orgelpfeifenähnlichen Gesteinsformationen war die ideale Kulisse für Hunderte von Westernfilmen, viele davon mit John Wayne. Wir waren fasziniert von der Landschaft, die zu jeder Tageszeit und den sich ändernden Lichtverhältnissen anders wirkte. Den ersten Tag waren wir ganz allein im Nationalpark. Während unserer Wanderung zwischen den aufragenden Felsen beobachteten wir viele Adler und Geier, wir erlebten absolute Ruhe – es war Natur pur.


Am Wochenende kamen mehrere mexikanische Familien, bepackt mit allem, was für ein deftiges Picknick gebraucht wird. Wir hatten uns am Abend schon einige Zeit in unser Wohnmobil zurückgezogen, Petra lag schon im Bett, als es gegen 23:00 Uhr an unsere Tür klopfte. Coster und seine Frau wollten uns zum Essen einladen. Etwas enttäuscht waren sie schon, als wir, unter Hinweis auf die späte Stunde, freundlich ablehnten – sie erneuerten ihre Einladung aber sofort für den nächsten Tag.


Nach unserer kleinen Morgenwanderung sahen wir Coster schon von weitem an unserem Wohnmobil warten – jetzt konnten wir nicht mehr ablehnen. Er, und die ganze Großfamilie, freuten sich, uns mit allen erdenklichen mexikanischen Speisen und Getränken zu bewirten. Wir mussten von unserer Reise, unserer Familie und von Deutschland erzählen und Coster berichtete vom mexikanischen Zusammenleben. Jedes Wochenende trifft sich die Familie mit Freunden und verbringt einen gemeinsamen Tag, oftmals auch auf den schönen Picknickplätzen der Umgebung oder im Nationalpark. Dieser Familienzusammenhalt hat auch einen ganz praktischen Nutzen. Man hilft sich gegenseitig bei den vielen Alltagsproblemen und ist somit kaum auf Handwerker oder Dienstleister angewiesen.


An den gemeinsamen Wochenenden wird vor allem gegessen. Es ist unglaublich, welche Mengen an Suppe, Tacos, Tamales, gefüllte Tortillas, Tostades und Fleisch auf dem Tisch stehen. Dazu die allgegenwärtige Guacamole und natürlich darf weder Bier noch Tequila fehlen. Nach unserem Höflichkeitsfrühstück wollte Petra etwas zum Mittagessen beisteuern. Mit einer großen Pfanne Bratkartoffeln, einer Schüssel Nudelsalat und gebratenen Würstchen mit deutschem Senf hatte sie einen Volltreffer gelandet. Zigmal musste sie erklären, wie der Salat angerichtet wurde und wie man Bratkartoffeln macht.


Als kurz nach Mittag die Vorbereitungen für das Abendessen begannen und wir die Unmengen an Rindfleisch sahen, die für den Grill vorbereitet wurden, haben wir uns diskret zurückgezogen. Es hat uns aber nicht viel genützt. Als erstes brachten uns unsere unmittelbaren Nachbarn, eine junge Familie mit Kindern, eine „Kostprobe“ vom Grill. Mit den gefüllten Paprikas, Würstchen und gegrilltem Fleisch hätten wir gut drei Tage gereicht – und dann kam auch noch Coster mit einer ebenso großen „Kostprobe“. Wir konnten es nicht abschlagen.


An den folgenden Tagen zog wieder Ruhe ein und Basko freute sich über die tägliche Extraportion Fleisch. Nach 4 Tagen in der Natur packten wir zusammen und machten uns auf den Weg. Noch vor der Parkausfahrt kam uns ein Pickup entgegen. Der Fahrer stoppte auf unserer Höhe, hielt ein Bier in unsere Richtung und lud uns freundlich zum Picknick ein. Es war wohl eher unser erschrockener Gesichtsausdruck als die verbale Ablehnung, die ihn veranlasste, nach einem kurzen Gruß weiterzufahren.


21.08.2010 – San Miguel de Allende


Bis Zacatecas fuhren wir auf bekannter Strecke zurück und bogen dann auf die Mex 57 ab. Über das quirlische San Luis Potosi erreichten wir San Miguel de Allende. Auf den letzten 20 km bis zur Stadt kündigte sich schon an, dass hier vorrangig Dollargeschäfte gemacht werden. An der Straße reihte sich ein Verkaufsstand an den nächsten, aber mit außergewöhnlichen Waren. Da gab es Antiquitäten, alte Autos und Traktoren, antiken Hausrat und viele andere Dinge, bei denen den US-Amerikanern die Augen leuchten. Sogar ein alter Panzer stand zum Verkauf.


Wenige Kilometer weiter, kurz vor der Stadt, bogen wir zum Balneario Escondido ab. Wir verbrachten einen ganzen Tag in den warmen Mineralquellen und konnten auch noch auf dem Privatgelände über Nacht stehen. Am nächsten Morgen fuhren wir dann auf den Trailerpark im Zentrum San Miguels. Gut, dass wir eine detaillierte Anfahrtsbeschreibung hatten. So konnten wir die Stadt umfahren und von der Umgehungsstraße aus den Trailerpark problemlos erreichen.


San Miguel ist ein Muss für alle Mexikoreisenden. Die malerische Kolonialstadt mit dem Namenszusatz des mexikanischen Freiheitskämpfers Ignacio de Allende hat keine großartigen Einzel-Sehenswürdigkeiten zu bieten, es ist eher der harmonische Gesamteindruck und die mittelalterliche Atmosphäre, die den Reiz der Stadt bestimmen. Dies, und das ganzjährig frühlingshafte Klima in 1900 m Höhe waren die Gründe, dass sich in der Vergangenheit zunehmend Künstler und reiche US-Amerikaner hier ansiedelten. Die Dollars haben der Stadt nicht geschadet, sieht man einmal von den explodierenden Immobilienpreisen ab. Die meisten der Stadthäuser sind meisterhaft rekonstruiert und zu Läden, Gaststätten oder Apartments ausgebaut. Über allem steht die ausgefallene Parroquia, die wichtigste Kirche und gleichzeitig das Wahrzeichen San Miguels.


Schlendert man durch die Gassen, dann sieht man jedes Mal ein anderes Bild. Dort, wo wir am Vortag noch ein nüchternes verschlossenes Holztor gesehen haben, war am nächsten Tag eine mittelalterlich anmutende Gaststätte oder ein verspielter schattiger Innenhof mit Brunnen und Galerie zu sehen. Dies ging nicht nur uns so. Bärbel und Joachim, zwei Panamericana-Reisende, die schon seit fast einem Jahr von San Miguel fasziniert sind und ihre Reise hier unterbrochen haben, teilten diese Meinung mit uns. Joachim, mittlerweile ein San Miguel Insider, zeigte uns die offensichtlichen und die versteckten Schönheiten der Stadt.


Am Zocalo, neben der Parroquia, wurde gerade wieder mal ein Fest gefeiert. Alte Feuerwehren und Polizeiautos waren aufgestellt, konnten besichtigt werden und fuhren dann mit ohrenbetäubendem Lärm durch die Stadt. Auf der anderen Seite des Zocalo startete gerade eine Stadtbegehung mit historisch gekleideten Stadtführern und Fackelbegleitung. Hier ist immer etwas los, sagte uns Joachim. In San Miguel wird jedes Wochenende irgendetwas gefeiert und den Höhepunkt bilden die Osterprozession und die Feiern zum Unabhängigkeitstag am 15. September. Dieses Jahr werden die Unabhängigkeitsfeiern noch gigantischer ausfallen, weil man den 200. Jahrestag des Unabhängigkeitskrieges und den 100. Jahrestag der Mexikanischen Revolution begeht.


Wie gern wären wir bis Mitte September in San Miguel geblieben, aber wir hatten wieder einen festen Termin. Unser Sohn Felix kommt am 28.08. nach Mexiko um mit uns bis Guatemala zu reisen und wir freuten uns seit langem auf diese gemeinsame Zeit. Wir nahmen Abschied von Bärbel und Joachim, mit denen wir einige nette Abende verbracht hatten, und fuhren weiter Richtung Mexiko City.


Auf dem Weg lag noch Querétaro, auch wieder eine tolle Kolonialstadt und UNESCO-Weltkulturerbe und Tula, die alte Hauptstadt der Tolteken, mit den berühmten Atlanten von Tula, die wir nicht auslassen wollten. Unsere Sparsamkeit hatte uns dann noch einen Streich gespielt. Mexikanische Mautstraßen sind relativ teuer und für unser Wohnmobil mussten wir immer, auf Grund der Zwillingsbereifung, den noch teureren LKW-Tarif bezahlen. Also fuhren wir meist die öffentlichen Straßen, die auch nicht schlecht waren. Aber nicht so von Tula nach Mexiko. Wir quälten uns über Holperpisten, durch Baustellen und enge Städte. Irgendwann hatten wir genug von der Schaukelei und nahmen die nächste Auffahrt auf die Mautautobahn. Schon nach wenigen Kilometern kam die Zahlstelle für die ganze Strecke. Hier besitzen nicht alle Auf- und Abfahrten Mautterminals sondern die Maut wird oftmals in der Mitte der Strecke verlangt. Die ortskundigen Mexikaner umgehen die Mautgebühr, indem sie an den richtigen Stellen ab und dann wieder auffahren.


Gerade hatten wir unseren Beitrag für den Bau der mexikanischen Straßen entrichtet, da wurden wir auch schon wieder an einer Polizeikontrollstelle rausgewinkt. In Mexiko City gibt es tageweise Fahrverbote für Privatfahrzeuge. Das Verbot richtet sich nach der Endziffer des Nummernschildes. Ich war mir sicher, dass an diesem Freitag kein Fahrverbot für unser Auto bestand, aber die Festlegungen hatten sich geändert. Mir kamen die Berichte von anderen Reisenden in den Sinn, die in solch einer Situation mehrere hundert US-Dollar bezahlen mussten. Sehr angenehm überrascht waren wir, als der Polizist zu uns sagte, dass es für uns kein Problem gäbe und uns eine gute Fahrt wünschte. Wir waren erleichtert, zum wiederholten Male haben wir absolut gute Erfahrungen mit der mexikanischen Polizei gemacht.


Erst am späten Abend kamen wir auf dem Trailerpark in Teotihuacán, am Rande von Mexiko City, an. Jetzt hatten wir noch einen Tag zur Vorbereitung bis zur Ankunft unseres Sohnes.