Montag, 30. April 2012

24.12.2011 – 28.03.2012: In Südpadagonien und an der Atlantikküste


24.12.2011 – Feuerland - Weihnachten und Silvester am Ende der Welt

Wir verlebten nun schon unser drittes Weihnachtsfest in der Fremde, aber diesmal war es für uns einfacher als in den letzten zwei Jahren. Vielleicht hatten wir uns schon etwas daran gewöhnt, und die vielen netten Reisebekanntschaften in Ushuaia machten es uns auch etwas leichter. Und dann war noch das Wetter auf Feuerland - nasskalt, regnerisch und trüb; also fast wie das übliche Weihnachtswetter in Deutschland. Dabei war hier Hochsommer.

Am Morgen des Weihnachtstages gingen wir in die Stadt und erledigten unsere Weihnachtseinkäufe. Wir hatten Appetit auf ein Schweinesteak oder einen knusprigen Schweinebraten, doch als Petra diesen Wunsch an der Fleischtheke vorbrachte, erntete sie nur Kopfschütteln und Lachen. Rind und Lamm könnte sie haben, aber kein Schweinefleisch. „Na, dann nehme ich drei kleine Rindersteaks“ meinte Petra, obwohl auch zwei für uns gereicht hätten. Der Fleischer schnitt die Steaks vom ausgesuchten Filet und es wurden immer mehr. Mit einem „No, no, sólo tres“ konnte Petra ihn gerade noch stoppen. „¿Tres, no más?“, fragte der Fleischer kopfschüttelnd und lachte wieder. Mittlerweile war der halbe Supermarkt am Fleischstand versammelt, jeder wollte die Frau sehen, die erst Schweinefleisch verlangt hatte und dann mit 3 jämmerlichen Steaks Weihnachten feiern wollte.

Die Argentinier kauften alles in großen Mengen - und Fleisch sowieso. Ganze Lämmer, dazu riesige Stücke Rindfleisch und Würste für das weihnachtliche Asado türmten sich in den Einkaufswagen, dazu Bier, Wein, Süßigkeiten und vieles mehr. Wir standen in einer langen Schlange an der Kasse, zwischen den vielen hektischen Menschen mit ihren riesigen Weihnachtseinkäufen, und beobachteten alles mit Interesse. Es hätte auch ein beliebiger Supermarkt in Deutschland sein können, so wenig unterschiedlich war das Kaufverhalten. Es erstaunte uns immer wieder, wie die Argentinier sich dieses Leben so leisten können. Gerade Lebensmittel sind wesentlich teurer als in Deutschland, zum Teil kosten sie das Doppelte, und der Verdienst ist eher bescheiden. Wir trafen eine junge Lehrerin, die uns ihr Monatseinkommen mit 3000 Pesos benannte - das sind gerade mal 500 €.

Ein kräftiger Wind blies am Nachmittag die Wolken weg und so saßen wir bei Kerzenschein, Weihnachtsmusik und strahlendem Sonnenschein in unserem Wohnmobil und ließen uns unser bescheidenes Weihnachtsmenü schmecken. In einer geselligen Runde mit anderen Reisenden verbrachten wir dann den Abend im Clubhaus des Campingplatzes bei Glühwein und so mancher weihnachtlichen Leckerei aus der Heimat. Die meisten waren erst im Herbst in Buenos Aires angekommen und hatten für das erste Weihnachtsfest Stollen, Lebkuchen und Schokolade dabei. So etwas konnten wir nicht beisteuern, aber umso mehr waren unsere Erfahrungen gefragt, denn von dort, wo wir herkamen, wollten die meisten noch hin. Erst gegen 23:00 Uhr war es so dunkel geworden, dass auch der leuchtende Weihnachtsbaum und die brennenden Kerzen zur Weihnachtsstimmung beitrugen.

Die nächsten Tage vergingen viel zu schnell. Anrufe bei unseren Kindern, bei Verwandten und Freunden in Deutschland, interessante Gespräche mit anderen Globetrottern auf dem Campingplatz, aber auch lesen, schreiben und die Seele baumeln lassen waren angesagt.

Nach den Weihnachtsfeiertagen haben wir noch etwas die Umgebung von Ushuaia erkundet. Der Nationalpark Tierra del Fuego war für uns eine Enttäuschung. Mit 15 € Eintritt pro Person war er viel zu teuer und ohne irgendein Naturhighlight, es war dieselbe Landschaft und Natur zu sehen wie außerhalb des Parks auch. Unsere Bootsfahrt auf dem Beagle-Kanal war schon eher interessant. Auf den kleinen Kanalinseln tummelten sich Seelöwen, Pinguine und unzählige Kormorane und vor der gewaltigen Bergkulisse Feuerlands und der chilenischen Insel Navarino war der berühmte Eclaireurs-Leuchtturm ein beliebtes Fotomotiv.

Pünktlich zu Silvester standen wir wieder auf dem Campingplatz Club Andino. Mit unseren neuen Platznachbarn Gitta und Peter verstanden wir uns auf Anhieb. Es war ein wirklich netter Abend und um Mitternacht lagen sich alle im Saal in den Armen und wünschten sich ein gutes neues Jahr.

Am Neujahrstag war dann der große Aufbruch. Viele konnten es kaum erwarten endlich wieder weiterzufahren und auch wir haben unser Wohnmobil gepackt und uns von den neu gefundenen Freunden verabschiedet. Manchmal trifft man sich noch mal irgendwo oder man tauscht noch einige Mails aus, aber meist verliert sich der Kontakt nach einiger Zeit. Jeder hat so viele neue Eindrücke, so viele spannende Erlebnisse und viele neue, aber ebenso flüchtige Reisebekanntschaften, dass nur selten eine bleibende Freundschaft entstehen kann. Schade, aber auch das ist typisch für unser derzeitiges Leben.

Einige Tage verbrachten wir noch in völliger Einsamkeit auf der Estanzia Harberton, direkt am Beagle-Kanal. Die Estanzia, sie ist die erste europäische Ansiedlung auf Feuerland, wurde 1886 von dem britischen Missionar Thomas Bridges aufgebaut. Der Schutz der bedrohten Yahgan-Indianer Südfeuerlands wurde zu seiner Lebensaufgabe. Er studierte das Leben und die Sprache der Ureinwohner Feuerlands und schrieb sogar ein Wörterbuch Yahgan-Englisch. Viele Überlieferungen, Fotos und Originaldokumente stammen aus seinem Besitz. Sie sind die letzten Informationen über dieses heute ausgestorbene Volk. Auch Bridges konnte es nicht verhindern, dass die Ureinwohner auf den Inseln um den Beagle-Kanal schon 50 Jahre nach Beginn der Besiedlung durch Weiße praktisch ausgerottet waren. Die brutale Landnahme, eingeschleppte Krankheiten, das Einsperren der Indianer in Reservate und das schonungslose Jagen der Seelöwen, der wichtigsten Nahrungsquelle der Indianer, waren die Gründe für diesen Genozid. Heute lebt nur noch eine letzte alte Yohgan-Indianerin bei Puerto Williams. Die Sprache ihrer Vorfahren beherrscht sie jedoch nicht mehr, diese ist für immer verloren.

Während dieser Tage auf der Estanzia wurde uns bewusst, wie hart das Leben der Ureinwohner war und wie viel Kraft ihnen das lebensfeindliche Klima abgefordert hatte. Selbst im Hochsommer war es windig, feucht und kalt. Obwohl uns die Ruhe, die Weite der Landschaft und die Einsamkeit faszinierten, fiel uns nach drei Tagen die Entscheidung nicht schwer, diesen schönen Platz am Kanal zu verlassen und in der Hoffnung auf wärmeres Wetter nordwärts zu fahren.



08.01.2012 – Im südlichen Chile - vergangener Reichtum und bleibende Naturwunder

Wir verließen Feuerland mit der Fähre über die Magellanstraße und hatten auch diesmal keine Probleme, mit Basko die Grenze zu Chile zu passieren. Auf der Ruta 255 fuhren wir, dem Verlauf der Magellanstraße folgend, in südwestliche Richtung. Punta Arenas war unser Ziel. Unendlich weites und karges Land umgab uns, das fast ausschließlich zur Schafzucht genutzt wird. Millionen Schafe grasten auf den riesigen Estanzias, aber die goldenen Zeiten der Schafzucht sind vorbei. Begonnen hatte alles 1876, als europäische Einwanderer die Erlaubnis zur Schafzucht erhielten. Land war billig und reichlich vorhanden und das Klima bekam den Schafen gut. Mit der begehrten Schafwolle kam ein ungeheuerer Aufschwung, der weitere Auswanderer, Handwerker und Geschäftsleute anzog. In den Folgejahren entwickelte sich die Stadt Punta Arenas zur reichsten und schönsten Kolonialstadt in Patagonien. Die Besitzer der riesigen Schaf-Estanzias wurden in kurzer Zeit so reich, dass sie sich schlossartige Villen in der Stadt bauen ließen, für die nur das Beste gerade gut genug war. Der Stadtpalast von Sara Braun, heute ein Nobelhotel oder die Villa von Mauricio Braun und Josefina Menéndez, welche heute das Regionalmuseum beherbergt, sind Zeugnisse des damaligen Wohlstandes. Wir konnten die Wohnhäuser mit ihrer originalen Einrichtung besichtigen und waren beeindruckt von dem Prunk, aber auch entsetzt über die Verschwendung. Tapeten aus Frankreich, Marmor aus Italien, Möbel aus England und Flandern, selbst das Holzparkett kam aus Übersee - nichts war aus Patagonien oder Südamerika.

Der ehemalige Reichtum der Stadt spiegelt sich auch auf dem Friedhof der Stadt wider, der zwischenzeitlich zum Nationaldenkmal erklärt wurde. Prunkvolle Mausoleen und riesige Grabstätten zeugen vom Überfluss und der Verschwendungssucht dieser Superreichen. Den Preis für diesen Reichtum haben nicht zuletzt die Ureinwohner bezahlt, die auch hier erbarmungslos ausgebeutet und ausgerottet wurden.

Nach Punta Arenas war der Nationalpark Torres del Paine unser nächstes Ziel in Südchile. Der Nationalpark ist einer der meist besuchtesten in Chile und besticht mit einer atemberaubenden Landschaft. Über Puerto Natales fuhren wir zum westlichen Eingang des Parks. Auf dem Weg liegt die Höhle Cueva del Miledón. 1896 fand der deutsche Abenteurer Hermann Eberhard in dieser Höhle gut erhaltene Fell- und Knochenreste eines großen Tieres. Er hatte das einzige erhaltene Skelett des vor 8500 Jahren ausgestorbenen Mylodon, eines 3-4 m großen Riesenfaultiers, entdeckt. Im Umfeld der Höhle wurden auch archäologische Funde der ersten menschlichen Besiedlung Patagoniens gemacht. Vermutlich waren diese steinzeitlichen Jäger auch der Grund für das Aussterben dieser Tierrasse.

Über staubige Pisten ging unsere Fahrt weiter. Das spektakuläre Panorama entschädigte uns für die Rumpelpiste. Hinter blauen Gletscherseen ragten die Türme des Paine-Bergmassivs über 2000 Meter aus der Ebene auf. Der höchste Gipfel, der Cerro Paine Grande, ist 3050 Meter hoch. Die Felstürme sind so steil, dass sich kein Schnee darauf hält, und sie somit kahl aus der schneebedeckten Umgebung in den Himmel ragen. Diese atemberaubende Landschaft ist das touristische Highlight in Südchile. Bis zu 200.000 Besucher muss der Park jedes Jahr verkraften. Das bleibt nicht immer ohne Folgen. 2005 wurden 10 % des Nationalparks durch ein Feuer vernichtet. Ein Wanderer hatte damals mit seinem Campingkocher diesen Brand verursacht und zum Jahreswechsel 2011/2012 ereignete sich ein ähnliches Inferno mit noch größerem Ausmaß. Wieder war ein unachtsamer Besucher der Verursacher.
Wir waren froh, als wir am Eingang erfuhren, dass der Nationalpark seit einigen Tagen wieder geöffnet war und wir große Teile des Parks besuchen können. Die Rancherin war sehr freundlich, sie erlaubte uns auch vor dem Gebäude der Parkverwaltung im Wohnmobil zu übernachten, weil wir erst am nächsten Morgen in den Park fahren wollten. Also machten wir es uns gemütlich, bereiteten unser Abendessen und gingen dann mit Basko eine kleine Runde spazieren. Plötzlich kam die bisher so nette Rancherin aus dem Haus gestürmt und forderte uns auf, sofort das Gelände zu verlassen. Der Grund war unser Basko, Hunde sind im Park nicht erlaubt. Bisher hatten wir jedoch mit solch einem Verbot nie Probleme, wenn Basko im Auto blieb, beziehungsweise an der Leine geführt wurde. Aber jetzt lagen die Nerven bei der Parkverwaltung blank. Die Zerstörung großer Teile des Parks durch den vor wenigen Tagen ausgebrochenen katastrophalen Brand führte wohl dazu, dass jetzt alle Vorschriften besonders strikt umgesetzt wurden. Es war übrigens das erste Mal, dass wir solche Probleme wegen Basko hatten, sieht man mal von dem Grenzübertritt von Bolivien nach Chile ab.

Nach einer trotzdem recht angenehmen Nacht in freier Natur sind wir um den Nationalpark herum zur östlichen Parkgrenze gefahren und haben an den Lagunen Amarga und Azul herrliche einsame Stellplätze mit Blick auf die Torres gefunden. Hier konnten wir wandern, Tiere beobachten und das eindrucksvolle Bergmassiv auf uns wirken lassen.

Auf der Fahrt zum kleinen Grenzübergang Cancha Carrera nach Argentinien fühlten wir uns wie im Zoo. So viele Guanakos, die wild lebenden Vorfahren der Lamas und Alpakas, und so viele Nandus, es sind die größten flugunfähigen Laufvögel Südamerikas, hatten wir bisher noch nie gesehen. Sie überquerten die Straße oder standen in großen Gruppen in der Pampa und betrachteten uns ohne Scheu.




20.01.2012 – Perito Moreno - ein atemberaubender Gletscher

Kaum jemand würde El Calafate kennen oder dort hinfahren, läge der kleine Ort nicht am Rande des Nationalparks Los Glaciares und würde der Zugang zum Nationalpark nicht über diesen Ort führen. So hat sich El Calafate zu einem typischen Touristenort mit Restaurants, Kneipen, Hotels und unzähligen Touranbietern entwickelt. Schon von der Stadt aus sahen wir am westlichen Horizont die schneebedeckten Berge und die milchig blauen Gletscherseen. Dazwischen liegen die gewaltigen Gletscher, die durch den Nationalpark geschützt werden. Es sind Ausläufer des Inlandeises der südlichen Halbkugel; der, abgesehen von den Polregionen, größten zusammenhängenden Eismasse der Erde. Mit 22.000 km² entspricht sie etwa der Größe Hessens. Der größte Gletscher im Nationalpark ist der Upsala-Gletscher. Mit einer Fläche von 595 km² zählt er zu den gewaltigsten Einzelgletschern auf der Welt. Leider kann man ihn nur während einer Bootstour sehen. Der noch eindrucksvollere legendäre Perito-Moreno-Gletscher bot da bessere Möglichkeiten, da dieser von eigens dafür errichteten Besucherplattformen hautnah und völlig ohne Zeitdruck besichtigt werden kann. Außerdem zeichnet den Perito-Moreno noch eine Besonderheit aus. Während fast alle anderen Gletscher auf der Welt abschmelzen und schrumpfen, wächst der Perito-Moreno kontinuierlich.

Das Wetter war ideal, und so hielten wir uns nicht lange in El Calafate auf. Am Lago Argentina verbrachten wir die Nacht und am nächsten Morgen trieb uns die Vorfreude auf das Erlebnis schon früh aus dem Bett. Wir waren die ersten Besucher im Park und hatten den Gletscher ganz für uns allein. Über die komfortablen Laufstege und Aussichtsplattformen, die in verschiedenen Höhen und Abständen einen fast hautnahen Kontakt zum Gletscher ermöglichten, kamen wir der gewaltigen Eismasse des Perito-Moreno-Gletschers immer näher. Der Gletscher, der auf Fotos so klein aussieht, ist an seiner Abbruchkante über 4 Kilometer breit und ragt 60 Meter aus dem Lago Argentina in die Höhe. Aber nicht nur die Größe des Gletschers war beeindruckend, sondern vor allem der Umstand, dass sich diese gewaltige Eismasse kontinuierlich bewegt. Mit 2-3 cm pro Stunde drückt das Eis ins Tal. Diese Bewegung war nicht zu sehen, wohl aber zu hören. Die von der Eismasse ausgehenden Geräusche sind fast nicht zu beschreiben. Laut und kraftvoll hörten wir das Knacken und Knarzen tief drinnen im Gletscher. Manchmal waren kurze Schleifgeräusche oder das Zersplittern des Eises zu hören, alles aber so gewaltig und laut, einfach unvorstellbar. Die Sensation war natürlich das sogenannte Kalben des Gletschers, das Abbrechen großer Eisbrocken aus der Gletscherwand, die dann mit lautem Getöse in den Lago Argentina krachten. Ein weiteres Phänomen war die leuchtend blaue Farbe des Gletschereises, die sich im Laufe des Tages, je nach Sonneneinstrahlung noch verstärkte. Wir waren so fasziniert von diesem Naturschauspiel, dass wir uns erst nach einigen Stunden davon losreißen konnten. Nach einer kurzen Mittagspause und einen Spaziergang mit Basko, der natürlichen im Auto bleiben musste, sind wir noch einmal zum Gletscher runter gestiegen.

Die Sonne stand jetzt direkt über der Gletscherkante und erwärmte das Eis. Immer öfter brachen riesige Eisbrocken oder ganze Eissäulen aus der Wand heraus. Jeder, der jetzt recht zahlreichen Touristen hatte seine Kamera im Anschlag, um diesen Moment als Bild oder Video einzufangen. Als ob man mit einem lauten Gespräch dieses Schauspiel stören könnte, flüsterten alle oder hielten den Atem an. Einen ganzen Tag verbrachten wir auf unserem „Beobachtungsposten“, aber es war spannend bis zur letzten Minute.

Noch zwei Tage verbrachten wir am Lago Roca, inmitten der unberührten Natur des Nationalparks, bevor wir wieder zurück nach El Calafate mit seinen touristischen Annehmlichkeiten gefahren sind. An El Calafate habe ich später noch oft gedacht. Nicht nur der gewaltige Gletscher ist mir in Erinnerung geblieben, sondern auch das leckerste Lamm-Asado unserer bisherigen Reise.


Video vom Perito-Moreno-Gletscher




06.02.2012 – Fitz Roy - das schönste Bergmassiv Südamerikas

Ganz ernst nahmen wir die Ankündigung der Campingplatzbesitzerin in El Calafate nicht, als sie uns von dem schlechten Wetter am Fitz Roy berichtete. „Sie will sicher nur, dass wir noch etwas hierbleiben“ war unsere Meinung. In El Calafate hatten wir seit Tagen nur Sonnenschein und El Chaltén, die kleine Siedlung am Fuße des Fitz-Roy-Bergmassivs, war nur 50 Kilometer Luftlinie entfernt.

Je näher wir aber dem eindrucksvollen Gebirgsmassiv kamen, umso trüber und regnerischer wurde es. An der Touristen-Information in El Chaltén trafen wir Margit und Peter, die zwei Schweizer in ihrem Bucher-Allradmobil. Seit Valdés sind wir uns immer wieder begegnet und wir waren jedes Mal begeistert von dem Willen und der Kraft, die diese zwei Globetrotter antreibt, denn Peter sitzt im Rollstuhl. Wir freuten uns über das unerwartete Wiedersehen und tauschten unserer Erlebnisse der letzten Tage und Wochen aus. Nicht so positiv war die Tatsache, dass es hier wirklich seit mehreren Tagen regnete oder es zumindest so trüb war, dass man von dem spektakulären Fitz-Roy-Massiv nichts sehen konnten. Mittlerweile hatten sich auch noch die zwei Österreicher Margit und Jörg, die schon seit fünf Jahren in ihrem Land Rover unterwegs sind, zu uns gesellt, und gemeinsam warteten wir auf Wetterbesserung. Gut, dass wir genügend Zeit und eine flexible Reiseplanung hatten. Die vielen ‚normalen’ Touristen, die jeden Tag mit Bussen angereist kamen, hatten gar keine Chance die herrliche Bergwelt zu erleben. Sie fuhren abends wieder ab, immer ihren engen Reisezeitplan in Nacken.

Wir wollten aber noch etwas mehr, wir hatten uns in den Kopf gesetzt, das Bergmassiv bei Sonnenaufgang zu sehen. Bei diesem, als ‚Sunrise in fire’ bezeichneten Naturschauspiel kann man bei wolkenlosem Himmel das Fitz-Roy-Massiv für wenige Minuten wie in Flammen sehen. Jeden Morgen klingelte der Wecker vor Sonnenaufgang. Nach einem Blick aus dem Wohnmobil konnte ich mich wieder schlafen legen, weil der Himmel trüb und wolkig war. Aber unsere Ausdauer hat sich gelohnt. Nach drei Tagen dann ein wolkenloser Himmel, nur die Bergspitzen des 3405 Meter hohen Cerro Fitz-Roy und des Cerro Torre waren von Wolken bedeckt. Die aufgehende Sonne tauchte den Berg und die ihn umgebenden Wolken in ein tief rotes Licht. Es wirkte wirklich so, als ob der Berg brennen würde und nach nur 10 min war alles vorbei.

Der sonnige Tag musste natürlich genutzt werden, und so haben wir uns noch eine wunderschöne Wanderung auf dem Fitz-Roy-Wanderweg gegönnt. Naja, Petra musste ich erst zu ihrem Glück überreden, sie hatte bei dem starken Wind erst wenig Lust zum Wandern, war dann aber beim Anblick der Berge mindestens genauso fasziniert wie ich. Es war auch wirklich der einzige schöne Tag. Als es am nächsten Morgen wieder regnete, hatten wir es satt. Wir wollten endlich wieder etwas Sonne tanken. Auf unserer weiteren Fahrt entlang der Atlantikküste sollten wir dazu genügend Gelegenheit haben.

02.03.2012 – An der Atlantikküste - Baden, Sonnen, Faulenzen … und Sand schaufeln

Bis El Chaltén hatten wir die Entscheidung aufgeschoben, ob wir die raue Ruta 40 und die chilenische Carretera Austral oder die gut ausgebaute Ruta 3 an der Atlantikküste fahren werden. Nach einigen Rückinformationen anderer Reisender, die schon die Westroute gefahren waren und zum Teil schlimme Schäden an ihren Autos beklagten, und der ganz aktuellen Informationen der Touristen-Information in El Chaltén, dass es große Engpässe bei der Diesel-Versorgung auf der Ruta 40 gebe, haben wir uns für die Atlantikroute entschieden. So richtige Lust auf Hunderte Kilometer Schotter- und Wellblechpiste hatten wir sowieso nicht.

Obwohl wir die Ruta 3 am Atlantik schon auf der Fahrt von Buenos Aires nach Feuerland gefahren waren, gab es für uns trotzdem manches Neue zu entdecken. Das lag daran, dass wir diesmal genügend Zeit hatten, um viele der kleinen Seebäder zu besuchen, die jetzt in der Nachsaison ihren unverfälschten Charme zeigten. Wir hatten die kilometerlangen Strände fast für uns allein und die meisten unserer Übernachtungsplätze waren einfach spektakulär. Zwischen den Dünen am Strand, direkt an der Uferpromenade oder an der Steilküste hoch über dem Atlantik fanden wir die schönsten Stellplätze. Es war genau die Situation, die wir uns immer gewünscht hatten. Ohne zeitliche Einschränkung zu reisen und überall dort, wo es uns gefiel, so lange zu bleiben, bis uns die Neugier weiter trieb oder das beginnende herbstliche Wetter uns veranlasste, weiter nordwärts in die Wärme zu ziehen.

Trelew war dann eine nette Abwechslung zum Strandleben. In der Stadt befindet sich eines der weltweit besten paläontologischen Museen. Die ausgestellten, teilweise über 300 Millionen Jahre alten Fossilien stammen alle aus Patagonien, dem Eldorado der Fossiliensammler. Auch Knochen und ganze Skelette der verschiedensten Dinosaurier wurden und werden auch heute noch in Patagonien gefunden, und die interessantesten Fundstücke sind im Museum in Trelew ausgestellt. Dazu gehören auch das weltweit einzige Exemplar eines gehörnten Sauriers und mehrere gut erhaltene Sauriereier.

Von Trelew aus war es nur ein kleiner Abstecher nach Gaiman, dem kleinen walisischen Musterdorf, in dem die Teehäuser die Hauptattraktion sind. Selbst Prinzessin Diana hat hier schon ihren Tee geschlürft, und da durften wir natürlich nicht nachstehen. Im berühmten Ty Te Caerdydd wurde wirklich guter Kuchen ohne Limit serviert und der leckere Tee immer wieder nachgeschenkt.

Auf unserer weiteren Fahrt auf der Rute 3 sahen wir, kurz hinter Necochea, ein Hinweisschild zum Balneario La Loberia. Nur 10 km Schotter waren zu bewältigen und dann standen wir schon am Strand und freuten uns auf eine schöne ruhige Nacht. Der Ort selbst war wie ausgestorben, es gab zwei kleine Hotels und einige Cabañas am Strand, aber alles war verschlossen und leer. Eigentlich standen wir auf dem Strandparkplatz nicht schlecht, doch nach dem Abendessen packte mich der Ehrgeiz. Vielleicht sollten wir doch einige Meter zurückfahren, dort wäre es etwas windgeschützter und vor allem würden wir dann ganz gerade stehen. Nach nur wenigen Metern wurde das Wohnmobil plötzlich gestoppt, als ob ich irgendwo aufgefahren wäre. Der Grund war eine Stelle mit ganz weichem Sand unter der angetrockneten Oberfläche. Wir saßen fest. Mit Sand schaufeln, Steine und Holz unterlegen und mehreren Versuchen selbst freizukommen verging der Abend. Das Ergebnis war, dass unser Wohnmobil jetzt noch viel tiefer im Sand steckte als vorher. „Jetzt können wir fast zu ebener Erde aus der Tür treten“ sagte Petra im Spaß. Ich fand diesen Scherz nicht ganz so lustig. Der Abwassertank saß, trotz voll ausgefahrener Luftfederung auf dem Boden auf und ich lag mit dem Gesicht im Sand und versuchte, den Sand wenigstens an diesen Stellen abzutragen. „Wir können nichts weiter tun als Schlafen gehen“ meinte ich dann resigniert, „morgen muss uns ein Jeep oder ein Traktor rausziehen“. So richtig gut geschlafen haben wir nicht. Das Wohnmobil stand so schräg, dass wir in unserem Bett immer wieder nach unten gerutscht sind.

Schon um 8:00 Uhr war ich im Ort unterwegs, das noch nagelneue Abschleppseil hing über meiner Schulter, um die Verständigung zu erleichtern. Was ich jedoch nicht erwartet hatte, war, dass es im ganzen Ort kein passendes Fahrzeug gab. Der einzige Jeep gehörte der Tourismusverwaltung, und der war defekt. Die hilfsbereite Polizistin, die ich dann nach 09:00 Uhr aus ihrem Bett geklingelt habe, fuhr mit mir auf dem Polizei-Quad von Haus zu Haus - aber das Ergebnis war niederschmetternd. Kaum ein Haus war jetzt in der Nachsaison bewohnt und kräftige Autos – Fehlanzeige. Es verirrte sich auch den ganzen Vormittag kein Auto in dieses verlassene Dörfchen und wir rechneten schon unsere Lebensmittelvorräte auf die nächsten Tage auf. Aber wie immer kommt irgendwann die Lösung, in unserem Fall am späten Nachmittag in Gestalt eines Anglers mit einem uralten Jeep. Es war noch einer von der Sorte, wo die Stoßstange ihrem Namen auch verdient. Da der Bolzen seiner Hängerkupplung fest gerostet war, wurde mein Abschleppseil einfach um diese solide Stoßstange gewickelt. Mit Allrad, Untersetzung und viel Gas hat es der Jeep dann wirklich geschafft, unser 4-Tonnen-Wohnmobil aus dem tiefen Sand zu ziehen. Wir waren überglücklich. Mit einigen Büchsen Bier bedankten wir uns, aber dem jungen Mann war viel wichtiger, dass er wieder mal bewiesen hat, dass sein Jeep auch mit solch schwierigen Situationen fertig wird. „Alles kein Problem für ein richtiges Auto“ murmelte er noch beim Einsteigen und fuhr über den Strand zu seinem Angelplatz.

Montag, 23. April 2012

Zwischeninfo

Unser Blog ist derzeit nicht ganz auf dem neuesten Stand. Deshalb hier eine kurze Zwischeninfo.

Im neuen Jahr haben wir in Südpadagonien herrliche Naturerlebnisse gehabt und sind dann an der Atlantikküste bis nach Buenos Aires getingelt.


Dort wartete schon unsere Tochter auf uns. Gemeinsam haben wir den letzten Gewalttrip bewältigt - in 3 Wochen durch 4 Länder. Paraguay, Südbrasilien und Uruguay waren unsere Ziele und zu Beginn haben wir in Nordargentinien den angriffslustigen Moskitos getrotzt. Seit letzten Sonntag ist unsere Kathi wieder in Deutschland und auch unser Basko hat wieder deutschen  Boden unter den Pfoten (Bild: Basko in Frankfurt).
Noch zwei Wochen haben wir Zeit, um die letzten Erlebnisse zu verarbeiten und natürlich auch in Text und Bild zu veröffentlichen. Dann geht es für einen Monat auf ein Frachtschiff der Grimaldi-Line. Mitte Juni werden wir dann auch wieder in der Heimat sein. Wir freuen uns schon auf unsere Familie, unsere Freunde und auf die leckeren Dinge, auf die wir in den letzten Jahren verzichten mussten. Also dann, bis später.
Un fuerte abrazo! Petra und Bernd