Sonntag, 5. Dezember 2010

22.09.2010 – 04.11.2010: Von Antigua (Guatemala) nach San José (Costa Rica)


26.09.2010 – Antigua und der Markt in Chichicastenango

Mit einem herzlichen „Buenos días Bernd. ¿Cómo está usted?“ wurde ich am ersten Tag unseres Spanischkurses freundlich begrüßt. Sandra, meine persönliche Spanischlehrerin, hatte schon alles vorbereitet, so dass wir ohne Zeitverzug starten konnten. Auch Petra hatte sich schon mit Hugo, ihrem Lehrer, bekannt gemacht und die ersten Begrüßungssätze gelernt. Die 4 Stunden Intensivunterricht vergingen wie im Fluge und mittags rauchten uns die Köpfe. Da nützte es auch nichts, dass wir von unseren Lehrern gelobt wurden. Ich denke, sie wollten uns nur bei Laune halten. Auch in den nächsten Tagen wurde es nicht viel leichter, wir quälten uns mit Vokabeln, mit Grammatikgrundlagen und mit der Aussprache. Am Nachmittag versuchten wir unsere neuerworbenen Kenntnisse auf dem Markt oder in der Stadt anzuwenden.

Nach der ersten Woche haben wir dann auf weitere Grammatikpaukerei verzichtet und uns fast ausschließlich mit unseren Lehrern unterhalten, soweit es unser begrenzter Wortschatz zuließ. Oftmals mussten wir einen angefangenen Satz auf Englisch beenden oder uns mit einer Zeichnung verständlich machen. Sandra war sehr an Deutschland interessiert und ich hab viel über das Leben in Guatemala gelernt. Es war erschütternd, zu erfahren, dass 25 Prozent der Menschen weniger als 1 US $ pro Tag zur Verfügung haben, weitere 57 Prozent leben von weniger als 2 US $. 30 Prozent sind Analphabeten, 70 Prozent im arbeitsfähigen Alter zwischen 16 und 50 Jahren sind arbeitslos. Kinderarbeit, Kriminalität und Drogenkonsum nehmen zu und ein korrupter Staatsapparat lähmt die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung zusätzlich.

Leider gehören die Indigenas, sie stellen rund 50 Prozent der Einwohner des Landes, zur ärmsten und am meisten unterdrückten Bevölkerungsgruppe in Guatemala. Mit Kunsthandwerk und Handel versuchen sie einige Quetzales zu verdienen, um ihren bescheidenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Zum Betteln sind sie zu stolz. Die meisten gehören einem der vielen Maya-Stämme an, die alle bis heute ihre Tradition bewahrt haben. Sie kleiden sich in der Stammestracht, verehren noch ihre Maya-Götter und sprechen ihre eigene Sprache. 21 verschiedene Mayasprachen gibt es in Guatemala, einige sind schon fast vergessen. So wird Itzá gerade mal noch von 300 Menschen gesprochen. Aufzeichnungen über diese Sprache gibt es kaum.

Die Kleidung der Mayafrauen ist an Farbigkeit nicht zu übertreffen. Fast alles ist handgewebt und oftmals noch mit traditionellen Farbstoffen gefärbt. Auf den bunten indianischen Märkten des Hochlandes kann man die Maya in ihrer traditionellen Kleidung sehen. Der bekannteste Markt ist in Chichicastenango, er ist an Vielfalt und Farbenpracht kaum zu überbieten und ein Muss für Guatemalareisende. Wir wollten diesen Markt natürlich auch erleben.

Von Antigua fuhren wir mit einem Kleinbus nach Chichi, wie die Stadt hier genannt wird. Schon weit vor der Stadt sahen wir die Indigenas, die zum Markt strömten. Einige hatten ihre Handelsware auf kleine Karren geladen, die meisten trugen sie aber auf dem Kopf oder dem Rücken. Der Markt selbst war eine unüberschaubare Ansammlung von Verkaufsständen und fliegenden Händlern. Es gab einfach alles, was man von einem guatemaltekischen Markt erwartet. Der Geruch von Leder und Plastik, von Obst, Blumen und Gewürzen sowie der Duft brodelnder Garküchen vermengte sich zu einer ganz speziellen Mischung, die im Umfeld der Kirche Santo Tomás von einem beißenden Qualm überdeckt wurde.

Die Kirche wurde 1540 von den Dominikanern auf den Stufen eines alten Mayatempels erbaut, um die in ihrem heidnischen Glauben verhafteten Maya überhaupt in die katholische Kirche zu bringen. Auf den 18 holprigen Stufen wurden, wie zu vorkolumbianischer Zeit, Kopalharz verbrannt, kleine Opfergaben an die Götter niedergelegt und Gebete gemurmelt. Eine Prozession der Cofradías, das sind kirchliche Würdenträger der Mayastämme, trug gerade ihren Schutzheiligen über den Markt und zurück in die Kirche. Andere Indigenas zündeten im Inneren der Kirche dünne Kerzen an, sie streuten Blütenblätter und Kiefernnadeln auf den Boden und benetzten diese mit Weihwasser und Schnaps. Jede Blütenfarbe und jede Opfergabe hat ihre ureigene Bedeutung.

Von den obersten Stufen der Kirchentreppe hatten wir einen guten Überblick über den Markt. Von hier gelangen uns auch einige Schnappschüsse mit dem Teleobjektiv, Fotografieren ist auch hier unerwünscht. Wir ließen das bunte Treiben und die fremde Kultur noch etwas auf uns wirken, bevor uns der Kleinbus wieder über die abenteuerliche Passstraße nach Antigua brachte.

13.10.2010 – Zum Vulkan Pacaya

Wir hatten uns in Antigua recht gut eingelebt. Schon nach kurzer Zeit hatten wir einige nette Bekanntschaften gemacht, wir wurden eingeladen und Petra konnte beim BBQ mit ihren Salaten punkten. Interessant waren die Gespräche mit Gary, einem US-Amerikaner aus Kalifornien, der mit seiner Frau Debra in Antigua lebt. Er war der erste US-Amerikaner, der sich im Gespräch mit mir positiv über Präsident Obama geäußert hat. Die Dänen Danni und Lars kamen gerade aus Südamerika und hatten viele nützliche Tipps für uns, und der österreichische Geschäftsführer unserer Stammgaststätte erklärte uns die Restaurantszene in Antigua und die Besonderheiten der guatemaltekischen Küche.

Die Tage vergingen schnell. Nach dem Spanischunterricht war meist ein kurzer Stadtspaziergang oder der Besuch des großen Marktes angesagt. Am Nachmittag organisierte die Schule dann immer einen Ausflug in die Umgebung. Die interessanteste Exkursion war die Besteigung des Vulkans Pacaya. Er ist einer der aktivsten Vulkane der Welt, erst im Mai dieses Jahres brach er das letzte Mal aus. Asche und Sand wurden bis nach Guatemala City geschleudert und legten dort den Flugverkehr lahm. Tausende Menschen flohen aus ihren Häusern oder wurden evakuiert. Zwischenzeitlich war der Vulkan zur Ruhe gekommen, aber die Angst vor dem nächsten Ausbruch ist gegenwärtig. In San Vicente Pacaya, dem kleinen Ort am Fuße des Vulkans, erinnerte noch manches an den letzten Ausbruch. Vulkansand säumte die Straßen und manches Haus war unbewohnt.

Kurz hinter dem Ort endete die Straße, ab hier ging es zu Fuß. Unsere kleine Gruppe wurde von einem Guide und bewaffneten Parkranchern begleitet. Diese Sicherheitsmaßnahme war erforderlich, weil es immer wieder Überfälle auf Reisegruppen und Touristen gab. Mehrere Pferdeführer boten uns ihre Tiere für den Aufstieg an – aber wir hatten unseren Stolz. Wir wollten den Gipfel des Pacaya auf eigenen Füßen erreichen. Der Weg war steil und anstrengend. Nach fast zwei Stunden Aufstieg hatten wir knapp 1000 Höhenmeter überwunden. Die Grenze der Vegetation war erreicht, ab hier gab es nur noch Lavagestein und Sand. Der Wind blies uns Staub und Sand ins Gesicht. Schwefelhaltiger Rauch erschwerte das Atmen. Langsam wurde es vom Erdboden her wärmer. Beim Versuch, einen Stein aufzuheben erschrak ich und lies ihn wieder fallen – er war heiß. Soweit das Auge reichte sahen wir nur totes Gestein, Geröll und aufsteigende schweflige Dämpfe. Wir befanden uns in einer fremden menschenfeindlichen Umgebung. Der Weg wurde immer beschwerlicher, der Wind immer stärker, so dass wir Mühe hatten, uns auf den Beinen zu halten. Wir kletterten über scharfkantige Lavabrocken und Schlackeberge. Nach einer weiteren Stunde war das Ziel erreicht. Wir standen, unmittelbar unter dem Gipfel, an einer Vulkanspalte, und sahen ins Innere der Erde. Heiße Luft schlug uns ins Gesicht und lies den Blick nur von einer bestimmten Stelle aus zu. In einigen Metern Tiefe blubberte das rotglühende Magma. Erst jetzt wurde uns richtig bewusst, dass wir auf dem Weg hierher nur wenige Meter über dieser Magmablase gelaufen sind und ihre Kraft gespürt haben. Jederzeit könnte es hier eine neue Eruption geben. Der Pacaya ist seit 1965 daueraktiv.

Unser Guide ließ es sich nicht nehmen, über der Vulkanspalte einige Marshmallows zu rösten, bevor wir den Rückweg antraten. Der Abstieg war nicht viel leichter. Im Licht der untergehenden Sonne hatten wir noch mal einen traumhaften Blick auf den bei Antigua liegenden Vulkan Agua, und dann umgab uns Dunkelheit und Stille. Wir schalteten unsere Taschenlampen an und liefen schweigend zum Shuttlebus. Die Eindrücke dieses Tages mussten erst einmal verarbeitet werden.

19.10.2010 – Adios Guatemala

Nach über 5 Wochen in Guatemala nahmen wir Abschied von diesem landschaftlich reizvollen, aber recht armen und unsicheren Land. Die meiste Zeit haben wir in Antigua, einem der wenigen touristisch erschlossenen Zentren des Landes, verbracht. Die kleine Kolonialstadt, eingebettet zwischen den Vulkanen Agua, Acatenango und dem ständig Rauch ausstoßenden Fuego, hatte es uns angetan. Fast täglich waren wir in der Altstadt unterwegs, haben das indigen geprägte Leben auf uns wirken lassen und uns am Abend ein schönes Restaurant fürs Abendessen gesucht. Selbst das tägliche Feuerwerk, oftmals begann es schon morgens um 4.00 Uhr, störte uns kaum noch, seit wir wussten, dass damit ein alter Brauch aufrechterhalten wird. Mit Raketen und Böller sollten die Gebete schneller zum Himmel getragen werden.

Antigua war, aufgrund der hohen Polizeipräsenz, recht sicher, was man vom Umland nicht unbedingt behaupten kann. Erst vor wenigen Tagen wurde wieder eine Reisegruppe bei der Besichtigung einer Kaffeeplantage überfallen und ausgeraubt. Wir hatten bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht, umso gewöhnungsbedürftiger war es, dass uns auf allen Wanderungen und Exkursionen außerhalb der Stadt die Touristenpolizei begleitete.

Der Abschied von den neugewonnenen Freunden war herzlich. Debra organisierte extra für uns eine Abschiedsparty und verwöhnte uns mit landestypischen Spezialitäten. Garys guter Ratschlag, nicht durch Guatemala City zu fahren sondern vorher abzubiegen, klang uns noch in den Ohren, als wir schon mitten drin waren, in Guatemala City. Wir hatten den Abzweig verpasst. Die Stadt ist, ähnlich wie das ganze Land, von Armut geprägt. Nur wenige Stadtzonen sind sicher, sauber und modern. Hier wohnt die Oberschicht Guatemalas.

Wir kämpften uns durch das mit alten qualmenden Autos und schrottreifen Bussen zugestopfte Gewirr der Straßen. Kein Hinweisschild zeigte uns den Weg und unser Navigationssystem war auch keine große Hilfe. Oftmals verlor es die Satellitenverbindung oder es schickte uns in die gesperrte Richtung einer Einbahnstraße. Irgendwann waren wir dann doch am anderen Ende von Guatemala City angekommen. Die Ausfallstraße nach Osten war in einem recht guten Zustand, und so fuhren wir an diesem Tag noch bis kurz vor Honduras.



22.10.2010 – Honduras: Mayakultur und deutsche "Diplomatie"

Honduras hat, neben El Salvador, den zweifelhaften Ruf, das gewalttätigste Land der Welt zu sein. 67 Morde auf 100.000 Einwohner im letzten Jahr (im Vergleich dazu: Mexiko = 14; USA = 5,4; Deutschland = 0,86) zeugen vom hohen Gewaltpotential. Wir wollten Honduras sehr schnell durchqueren.

Der Grenzübertritt in El Florido war unkompliziert, wenn auch sehr zeitaufwändig. Die Grenzstation befand sich gerade im Umbau, und so stauten sich die LKW auf der engen Straße zwischen den Schlagbäumen. Wenn ein Fahrzeug durchfahren wollte, mussten alle anderen umrangieren. Ständig wurde irgendein Fahrer gesucht, dessen Auto im Weg stand. Wir mussten höllisch aufpassen, dass alle Dokumente richtig ausgefertigt wurden. Erst auf meine ausdrückliche Intervention wurde das Wohnmobil auf der guatemaltekischen Seite korrekt aus dem Pass ausgetragen. Es war einfach vergessen worden.

Hinter der Grenze wunderten wir uns über die relative Sauberkeit und einigermaßen ordentliche Straßen. An einem Schwimmbad verbrachten wir den Rest des Tages und die Nacht, bewacht vom Nachtwächter mit seiner großkalibrischen Waffe. Er zeigte uns ganz stolz sein Gewehr und feuerte auch gleich mal einen Probeschuss ab. Uns wurde ganz übel. Hoffentlich werden wir am Abend nicht mit einem Einbrecher verwechselt, wenn wir mit Basko noch mal raus müssen. In Honduras gehört das Tragen solcher Waffen zur Normalität und alles wurde bewacht. Selbst auf dem Limonadenlaster von Coca-Cola saß ein bewaffneter Wächter. In der Nacht hörten wir vereinzelte Schüsse in der Ferne, aber uns war nichts passiert und so konnten wir am nächsten Tag das touristische Highlight von Honduras, die Ausgrabungen von Copán, besichtigen.

Copán ist die südlichste Mayasiedlung in Zentralamerika. Sie zeichnet sich durch absolut kunstvoll gefertigte Stelen und die großartige Hieroglyphentreppe, das größte in Stein gehauene Schriftwerk der Maya, aus. Die 63 Stufen sind mit 2200 Zeichen beschrieben, welche die Geschichte von gut 200 Jahren Copán darstellen. Vieles in Copán wurde vom 13. Herrscher in Auftrag gegeben, dessen lustigen Namen „18 Kaninchen“ (Waxaklahun Ubah) wir uns schnell gemerkt haben. Angenehm empfanden wir, dass es auf dem Ausgrabungsgelände keine nervigen Händler gab - unschön war der hohe Eintrittspreis. Copán war teurer als alle von uns in Mexiko besuchten Mayastätten zusammen.

Am Parkplatz wartete schon der Wächter, den wir gebeten hatten, etwas auf unser Auto aufzupassen. Eine Hand an der Heckleiter sollte uns zeigen, wie ernst er seinen Job nahm. Als wir ihm dann 2 Dollar gaben war es für ihn wie Weihnachten und Geburtstag an einem Tag. Seine Augen leuchteten und er bedankte sich immer wieder. Dann sperrte er noch unnötigerweise die Straße ab, damit wir ungehindert vom Parkplatz fahren konnten.

Wir fuhren von Copán in Richtung San Pedro Sula, eigentlich ein Umweg, aber wir waren uns sicher, dass diese Straße geteert ist. Mit aufkommender Dunkelheit steuerten wir ein Hotel an und waren angenehm überrascht, wie freundlich wir aufgenommen wurden. Wir durften kostenlos auf dem bewachten Hotelparkplatz übernachten, konnten Pool, Dusche und Internet nutzen und im Restaurant haben wir so gut wie lange nicht mehr gegessen. Als wir dann die Rechnung sahen vermuteten wir einen Rechenfehler – aber es war alles korrekt. Unser Abendessen kostete mit Getränken nicht mal 7 Euro.

Am nächsten Morgen starteten wir sehr zeitig, wir wollten eine große Strecke schaffen. Das gelang uns dann auch, denn ab San Pedro Sula hatte die Straße deutschen Standard. Nach wenigen Kilometern sahen wir den Grund, ein Plakat informierte darüber, dass sie als Hilfsprojekt von der EU und von Deutschland gebaut wurde. So kamen wir recht flott bis nach Tegucigalpa, der Hauptstadt von Honduras, wo man die Weiterführung der Straße dem honduranischen Schicksal überließ. Die vierspurige Superstraße endete an einer gewaltigen Baugrube, von einer Umleitung keine Spur. Also wenden und zurück. Nach einer Irrfahrt über Baustellen und durch Elendsviertel hatten wir es geschafft, wir fuhren auf der Ausfallstraße in Richtung Nicaragua. Leider währte unsere Freude nur kurz, nach wenigen Kilometern kam eine Polizeikontrolle. Der Trick mit dem freundlichen Winken und langsam weiter fahren funktionierte diesmal nicht. Als ob meine Nerven nicht schon genug strapaziert waren - wir wurden rausgewinkt.

Nach der Kontrolle von Führerschein und Einfuhrpapieren des Wohnmobils wurden wir über unser „Vergehen“ aufgeklärt. Wir hatten, so wie es angeblich ein Gesetz in Honduras verlangt, keine zusätzlichen Reflektoren am Auto aufgeklebt. Umgerechnet 40 US $ sollte es kosten. Nun sind 40 US $ keine Summe, die uns arm gemacht hätte, aber ich wollte diese Farce nicht mitspielen. In Honduras fallen manche Autos fast auseinander, die Reifen sind abgefahren und die Beleuchtung funktioniert nicht, aber Reflektoren müssen sein. Dagegen entspricht unser Wohnmobil allen gängigen Vorschriften, wir haben Lampen an der Seite und extra große Reflektoren am Heck. Für mich stand fest: Ich bezahle keinen Lempira. Als ich nach langer Diskussion mit dem Polizisten kein Einlenken erkennen konnte, änderte ich die Taktik. Ich wollte jetzt nur noch mit dem Jefe, dem Vorgesetzten, sprechen. Dass dieser kein Wort Englisch verstand war kein Nachteil für mich. Freundlich und in ruhigem Ton begrüßte ich den Chef, stellte mich mit Namen vor und erzählte alles Mögliche in Deutsch. Keiner verstand mich! Immer wieder verwendete ich die Worte „Diplomatico“ und „Embajado“ (Botschaft). Ich wollte damit zum Ausdruck bringen, dass mein Auto den Bestimmungen entspricht und ich diese Auskunft von der Botschaft bekommen hätte. Mein Gegenüber wurde bei dem Wort „Diplomatico“ zunehmend unsicher. Jetzt legte ich nach. Ich konnte mir das Lachen kaum verkneifen, als ich auf das große „D“ an der hinteren Stoßstange zeigte und noch mal „Diplomatico“ murmelte. Der Jefe hatte den Köder geschluckt. Innerhalb weniger Augenblicke hatte ich meine Dokumente wieder und wurde mit Handschlag und militärischen Gruß verabschiedet.

Petra war im Auto geblieben und fragte mich nach meiner Rückkehr, wie viel ich bezahlt hätte. Sie müsste mich eigentlich besser kennen. Bei der Weiterfahrt nach Nicaragua lachten wir noch lange und herzlich über die Tricks der Polizei und unsere "Diplomatie".



26.10.2010 – Nicaragua: Managua, Granada und der rauchende Höllenschlund

Der Grenzübertritt zwischen Honduras und Nicaragua war der bisher komplizierteste auf unserer Reise. Es war nicht zu erkennen, nach welchem System hier gearbeitet wurde und wo wir uns überall einen Stempel holen mussten. Gleich nach dem ersten Schlagbaum wurden wir von einem Dutzend Schlepper genötigt, ihre Dienste in Anspruch zu nehmen. Wir mussten mehrfach mit deutlichen Worten ablehnen, ehe sie begriffen, dass bei uns nichts zu holen war. Wenn schon Hilfe an der Grenze, dann von einem offiziellen Agent. An dieser Grenze nahmen wir diese Fremdhilfe das erste Mal in Anspruch. Nach zwei Stunden hatten wir die Grenzformalitäten hinter uns und rollten auf der hervorragend ausgebauten Interamericana nach Managua.

Wir erkannten erst gar nicht, dass wir schon in der Hauptstadt angekommen waren. An der Hauptstraße standen baufällige Baracken und kleine Hütten oder die Grundstücke waren unbebaut und vom Unkraut überwuchert. Auf dem Mittelstreifen der Straße grasten Schafe, Ziegen und Esel. „Rechts geht es zum Nationalpalast“ sagte Petra plötzlich, ich wollte es erst nicht glauben. Inmitten dieser ‚dörflichen Idylle’ befand sich wirklich die ‚Area Monumental’, das Zentrum Managuas mit der baufälligen Kathedrale, dem Nationalpalast, dem Theater und dem neuen Präsidentenpalast. Wenige hundert Meter weiter begannen schon die Slums von Managua. Nach einer kurzen Besichtigung wollte ich, vorbei an der Kathedrale, noch zum schönen Managuasee laufen, als ich von Passanten und von einem Wachmann der Kathedrale davor gewarnt wurde, diesen Weg zu gehen. Meine kleine Kamera, mein Geld und ich selbst wären dort nicht sicher. So viel Unsicherheit in dieser Stadt, dabei hab ich, selbst im repräsentativen Zentrum von Managua, keinen einzigen Polizisten gesehen. „Die stehen lieber an der Landstraße und kontrollieren Touristen“, meinte Petra, als ich nach zwei Stunden wieder beim Wohnmobil war. Sie hatte es aus Sicherheitsgründen vorgezogen, im Auto zu bleiben. Auch auf der Weiterfahrt durch die Stadt haben wir kein vernünftiges Stadtviertel gesehen. Die Stadt hat wirklich nicht viel zu bieten. Man sollte aber wissen, dass Managua 1931 und 1972 durch schlimme Erdbeben fast vollständig zerstört wurde und die katastrophalen Auswirkungen des Hurrikans Mitch von 1998 auch noch nicht überwunden sind.

Uns gefiel es hier nicht, wir wollten recht schnell weiter, Richtung Granada. Auf halbem Weg liegt eine Attraktion Nacaraguas, der Vulkan Masaya mit seinen ständig Schwefeldampf speienden Santiago-Krater.

Die Besichtigung wurde uns leicht gemacht, wir konnten mit dem Wohnmobil bis zum Kraterrand fahren. Nach dem Aussteigen tränten uns schon die Augen und der Schwefelrauch kratzte in der Kehle. „Maximal 20 Minuten Aufenthalt“ hatte uns der Ranger am Eingang empfohlen, „der Wind bläst heute den Schwefeldunst direkt zum Parkplatz“. Mit den bereitgestellten Gasmasken ging es dann aber recht gut. Wir blickten in den qualmenden Höllenschlund. Schon die spanischen Eroberer nannten den Vulkan ‚La Boca del Infierno’ und setzten ein Kreuz an den Kraterrand, um den Teufel abzuwehren. Das Kreuz steht noch heute.

Die Nacht verbrachten wir passend bei den Bomberos (der Feuerwehr) in Macaya. Stolz führten sie uns ihre Fahrzeuge vor und wurden fast euphorisch, als sie uns ihr Schmuckstück, ein altes in Deutschland ausgemustertes MAN-Löschfahrzeug, zeigten.

Am nächsten Tag fuhren wir nach Granada. Es ist wohl die schönste Stadt Nicaraguas. Das historische Zentrum besticht durch gut restaurierte Gebäude im Kolonialstil und eine schöne Kathedrale. Die Stadt hat Stil und Ambiente, wenngleich wir nur wenige Meter abseits des Zentrums die wahren Lebensverhältnisse der Nicaraguaner sahen. Nicaragua ist, nach Haiti, das ärmste Land Lateinamerikas. Enttäuscht waren wir vom Centro Turístico am Nicaraguasee. Trotz Eintrittsgebühr machte der schön gelegene Park einen verfallenen und verschmutzten Eindruck.

Den Abstecher von der Interamericana nach San Juan del Sur haben wir nicht bereut. Es ist ein wirklich netter sauberer Küstenort am Pazifik, mit einigen typischen Strandrestaurants und einer schönen Badebucht. Wir standen mit unserem Hobby direkt an der Uferpromenade. Neben uns saß auf einer Bank eine junge Familie mit 2 Kindern. Am Abend bat uns der Familienvater um etwas Wasser für seine Kinder. Im Gespräch erfuhren wir, dass die Familie, in der Hoffnung auf Arbeit, mit dem letzten Geld hierher gekommen war. Arbeit gab es leider keine, und nun versuchten sie wieder in ihr Heimatdorf zu kommen. Die Bescheidenheit der Eltern und die Art, wie die zwei Kinder sich stundenlang mit einem kaputten Auto und einer zerfledderten Puppe beschäftigt haben, rührten mich. Ich denke, die kleine Spende für ein Frühstück und den Bus nach Hause war gut angelegtes Geld. Mit keiner Silbe hatte mich die Familie angebettelt, obwohl wir in ihren Augen sehr reich waren und ihnen das Nötigste fehlte. Am nächsten Morgen kamen die Eltern noch mal ans Wohnmobil und bedankten sich so herzlich, dass es uns fast peinlich war.

Wir verließen Nicaragua mit einem guten Gefühl.



29.10.2010 – Costa Rica: Bratwurst, Sauerkraut und Schwarzbrot am Arenalsee

Die Ausreise aus Nicaragua war wirklich stressig. Auf dem weitläufigen Gelände des Grenzübergangs bei Peñas Blancas herrschte Chaos. Wir bekamen keine Auskunft, ohne dafür zu bezahlen. Selbst für die normalen Ausreiseformulare wollten die Schlepper 2 US $ haben. Unser Ehrgeiz war geweckt. Keinen Cent den Schleppern! Wir wollten es allein schaffen. Zwei Stunden standen wir am Ausreiseschalter und dann noch die Prozedur mit der Wohnmobilausfuhr aus Nicaragua. Man kann sich als Europäer kaum vorstellen, mit welchem bürokratischen Aufwand jedes Auto an den Grenzen importiert und dann wieder exportiert werden muss. Der gleiche Ablauf gilt auch für die Bewohner Zentralamerikas, die mit ihrem Auto mal ins Nachbarland fahren wollen.

Nach zwei weiteren Stunden war das Exportformular mit unzähligen Stempeln, Unterschriften und Häkchen versehen. Es sieht gut aus, dachte ich, und fuhr optimistisch zum Schlagbaum.

Der Beamte erkannte jedoch sofort, dass noch ein Stempel fehlte. Also, wenden und zurück. Die großen Trucks mussten umrangieren, damit wir mit dem Wohnmobil durchkamen. „Wo ist nun der wichtige Beamte mit dem letzten Stempel?“, wieder keine Antwort, nur das Angebot, „für 10 US $ wird alles erledigt“. Nein, nun erst recht nicht. Am dritten Fensterchen wurde ich schon fündig – Stempel drauf und ab nach Costa Rica.

In Costa Rica empfing uns eine andere Welt. Alles war geordnet, übersichtlich, kostenlos – und langsam. Typische Beamtenmentalität, dachte ich, und lag damit wohl nicht so falsch. Aber gute Beamte sind eben auch gründlich, und so mussten wir das erste Mal seit Kanada den Gesundheitspass von Basko vorzeigen.

20 Kilometer hinter der Grenze liegt der kleine Ort La Cruz. Dort haben wir die sagenhafte Summe von 150.000 Colones (Kurs 1 : 720) abgehoben und die erste Bekanntschaft mit den miserablen Straßen Costa Ricas gemacht. Wir wollten die Nacht am Pazifik verbringen, mussten dann aber nach 10 Kilometern auf der Schlammstrecke wenden, um nicht zu riskieren, uns auf dieser einsamen Piste festzufahren. Neben der Polizeistation fanden wir dann einen sicheren, wenn auch nicht so idyllischen, Übernachtungsplatz.

In Liberia, der ersten größeren Stadt nach der Grenze, begeisterte uns das Angebot und die Sauberkeit des Supermarktes, ein Blick auf den Kassenbon dämpfte unsere Begeisterung wieder - Costa Rica ist kein günstiges Reiseland.

Wir wollten weiter zum Arenalsee (Laguna de Arenal) und kämpften uns über bucklige Straßen bis nach Tilaran. Hier beginnt die Uferstraße um den See. In Nuevo Arenal war erst einmal unser Zwischenziel erreicht. Wir klopften bei ‚Toms German Bakery’ an und wurden, trotz Ladenschluss, freundlich empfangen. Tomas betreibt seine deutsche Bäckerei mit Restaurant seit über 15 Jahren, er hatte viel zu erzählen und einige gute Ratschläge für uns. Zur Begrüßung gab es Bratwurst mit Sauerkraut, frisches Schwarzbrot und Paulaner Weizenbier.

Auf dem gemeindeeigenen Platz am Seeufer konnten wir kostenlos campen, hatten Wasser, Strom und täglich frische Backwaren aus Toms Bäckerei. Wir brauchten eine kleine Ruhepause und verbrachten 6 Tage am See. Mit dem Schreiben von Reiseberichten, dem Sortieren von Photos und der Planung unserer gemeinsamen Zeit mit Kathi vergingen die Tage. Dann wurde es Zeit aufzubrechen. Wir müssen am 05. November pünktlich in San José am Flughafen stehen.