Donnerstag, 1. Oktober 2009

27.08. – 14.09.2009: Über Dawson City nach Vancouver

27.08.09 – Tayler -/ Top of the World Highway

Um von Alaska nach Dawson City zu kommen gibt es nur einen Weg – den Taylor-/ Top of the World-Highway. Die Strasse verläuft weitestgehend oberhalb der Baumgrenze entlang einer Kammlinie mit großartigen Ausblicken über das menschenleere Land und die farbenprächtige Tundra. Hier gibt es keine Siedlung, keine Tankstelle oder Servicestation - die letzte Grenztankstelle auf amerikanischer Seite ist seit einigen Jahren verlassen. So schön, wie der Streckenverlauf und die Aussicht waren, so katastrophal war der Zustand der Strasse auf den letzten 70 Kilometern bis zur kanadischen Grenze. Diese raue Schotterpiste sollte man nur fahren, wenn man volles Vertrauen in sein Fahrzeug hat. Wir brauchten für die 70 Kilometer Gravelroad (Schotterstrasse) fast 3 Stunden und haben bei jedem spitzen Stein mit den Reifen gelitten, jedes Schlagloch in Schrittgeschwindigkeit durchfahren. Ohne Panne, Reifenschaden oder Steinschlag sind wir an der einsamen, nur im Sommer geöffneten Grenzstation angekommen. Unser Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Hobby und des Ford Transit ist weiter gestiegen. Viele örtliche Wohnmobilvermieter verbieten die Fahrt über diese Passstrasse und manches kanadische oder amerikanische Wohnmobil kam mit Beschädigungen in Dawson an. Wir hatten auch etwas Glück, denn ein Steinschlag auf der Frontscheibe kann überall passieren, wie wir kurze Zeit später erfahren mussten.

Der Grenzübertritt war völlig problemlos, wir wurden nicht einmal nach „Schmuggelware“ gefragt. Die 5 Liter Merlot, die wir noch in Alaska gekauft haben, wären in Kanada mehr als doppelt so teuer gewesen.

Auf einer wesentlich besseren Gravelroad ging es dann auf kanadischer Seite talwärts nach Dawson City.

28.09.09 – Dawson City

Unsere Vorstellungen von Dawson City waren sehr stark von Jack Londons Erzählungen über den Goldrush am Klondike geprägt. Weit oben im kalten Norden gelegen war Dawson City zur damaligen Zeit fast unerreichbar. Anders heute, nach der bequemen Fährüberquerung des Yukon River rollten wir mit unserem Hobby über die historische Frontstreet. Hier am Ufer des Yukon River landeten im Frühjahr 1898 die ersten Glücksritter, welche mit ihrem Gepäck den beschwerlichen Fußmarsch von Skagway (Alaska) über den Chilkoot Pass bis zum Lake Bennett geschafft hatten. Jeder musste einen Einjahresvorrat an Lebensmitteln und die entsprechende Ausrüstung, zusammen ca. 700 Kilogramm, vorweisen, um die kanadischen Grenze passieren zu dürfen. Bis zu 20-mal musste der Chilkoot Pass bei Schnee und Eis bezwungen werden – 30.000 Männer und einige Frauen bewältigten diese Tortour, die sich auf dem Yukon fortsetzte. Die Whitehorse Rapids oder die Five Finger Rapids brachten für viele das Aus ihrer Träume. Reich geworden sind nur die wenigsten. Dawson City etablierte sich damals nicht nur als Versorgungsbasis und Hauptstadt des Yukon sondern bot auch alle Möglichkeiten, dass wenige gewaschene Gold – oftmals in nur einer Nacht – wieder auszugeben. In Diamond Tooth Gertie´s Gambling Hall fühlten wir uns im stilechten Ambiente bei einer Can-Can-Show in diese Zeit zurück versetzt. Anders als damals gehen heute alle Gewinne aus der Spielhalle und der Show an die Klondike Visitors Association und so dienten auch meine verspielten 5 Dollar einem guten Zweck.

In der City sind viele der alten Häuser liebevoll restauriert oder im Originalzustand belassen. Wir liefen über Gehwege aus Holzplanken, schauten in historisch dekorierte Schaufenster und fühlten uns wie in einem Museum, welches aber bewohnt und belebt ist.
Vom Midnight Dom, einem Aussichtspunkt knapp 600 Meter über der Stadt hatten wir einen tollen Rundblick über Dawson City, den Yukon und die von Goldschürfern zerpflügte Landschaft. Nicht unwesentlichen Anteil daran hatte Gold Dredge #4, der größte Goldbagger mit Holzrumpf, der bis 1966 in Betrieb war. Heute kann er, nach grundlegender Restaurierung als letzter erhaltener Goldbagger innen und außen besichtigt werden. Nach 3 erlebnisreichen Tagen verließen wir Dawson City.

01.09.09 - Whitehorse

Der Klondike Highway verbindet Dawson City mit Whitehorse. Er ist gut ausgebaut und fast ohne Verkehr. Wir fuhren entspannt und genossen die herbstliche Landschaft. Auf dem einzigen kurzen Schotterabschnitt kam uns eines der wenigen Fahrzeuge entgegen und schleuderte eine Salve Split auf unsere Frontscheibe – Ergebnis: 3 Steinschläge. In Whitehorse ließen wir die Frontscheibe reparieren und bei Ford gleich noch die Spur einstellen, weil ein vorderer Reifen einseitig etwas mehr abgefahren war.
Dann noch Tanken, Einkaufen … und wieder die Frage nach dem woher und wohin. Uns gegenüber steht Jo Bentfeld, ein deutscher Aussiedler, der in Kanada zum Einsiedler geworden ist und über 10 Jahre allein in der Wildnis lebte. Bücher, Vorträge und eine ARD-Verfilmung haben ihn bekannt gemacht. Ich hatte zwei seiner Bücher während der Vorbereitung auf unsere Reise gelesen und konnte mit ihm richtig fachsimpeln.

Ein ebenso außergewöhnlicher Mensch ist Gitta, die wir am gleichen Tag trafen. Gitta reiste in einem alten VW-Bus durch Nordamerika. Gemeinsam mit ihrem Hund Mex war sie schon seit fast einem Jahr unterwegs und noch lange nicht reisemüde. Sie reparierte ihren Bus besser als mancher Mann und beeindruckte uns mit ihrem Mut und ihrer Lebensfreude.

Am nächsten Morgen verabschiedeten wir uns von Gitta und Mex und starteten in entgegen gesetzte Richtungen. Gitta nach Norden und wir weiter in Richtung Vancouver.

06.09.09 – We were in Bear Country

´In Hyder kann man Bären beim Lachsfang beobachten´ schreibt unser Reiseführer und auch andere Reisende berichteten von diesem „Must see“. Es liegt nahe unserer Route und passte in unseren Zeitplan. „Also dann – auf nach Hyder!“ Wir fuhren den Alaska Highway bis Watson Lake und von dort via Cassiar Highway nach Steward/ Hyder. Schon auf der Fahrt konnten wir dreimal Bären beobachten. Zweimal kleine putzige Schwarzbären und dann der Höhepunkt des Tages – ein ausgewachsener Grizzlybär. Er stand neben der Strasse, labte sich an jungen Zweigen und ließ sich durch uns in keiner Weise stören. Dreimal hab ich das Auto gestartet und bin einige Meter zurückgefahren, weil dem Grizzly die Zweige neben dem Wohnmobil immer am Besten geschmeckt haben. Im Schutz des Autos, den Finger auf dem Schalter des Fensterhebers, war das alles recht unkritisch und trotzdem hatten wir Herzklopfen und großen Respekt vor dem stärksten Tier Nordamerikas. Auszusteigen hätten wir uns in dieser Situation nie getraut, übrigens ist es auch verboten. Bis zu 800 Kilogramm schwer und aufgerichtet bis zu 3 Meter groß kann ein Grizzly werden. Sollte er angreifen, was jedoch äußerst selten vorkommt, hat ein Mensch absolut keine Chance. Auch weglaufen, wegschwimmen oder auf einen Baum klettern ist keine Lösung – das alles kann ein Grizzly besser als wir Menschen.
Nach 20 Minuten hatte der Grizzlybär genug von uns oder seinen frischen Zweigen und trottete langsam in Richtung Wald. Wir wussten zu diesem Zeitpunkt noch nicht, welche kritische Situation wir in Hyder erleben werden.

Zwischen Steward und Hyder verläuft die kanadisch-amerikanische Grenze und es ist wohl der einzige US-Grenzübergang, an dem es keinerlei Passkontrollen gibt. Man fährt einfach mal rüber nach Alaska – kommt dann aber auf dem Landweg nicht weiter. Hyder ist nur über Steward zu erreichen. Hauptattraktionen sind die umliegenden Gletscher und der Fish Creek, ein Lachsfluss, in dem man Braun- und Grizzlybären beim Lachsfangen und –fressen beobachten kann. Es wurde eigens eine Aussichtsplattform gebaut und Rancher überwachen alles. „Da kann nichts passieren“ beruhigte der Parkrancher einige Touristen und gab auch noch die wahrscheinlichsten Zeiten für das Bärendinner bekannt. „Die haben ja alles im Griff“ meinte ich zu Petra, eigentlich etwas enttäuscht über die zunehmende Kommerzialisierung – Eintritt kostete es nämlich auch noch. Wir fuhren auf den entferntesten und ruhigsten Parkplatz, um die Zeit und das schöne Wetter bis zum Abend zu nutzen. Zwei Stühle und unser Campingtisch waren schnell vor dem Hobby aufgebaut, Kaffee und Kekse standen bereit und wir verbrachten einen sonnigen Nachmittag. Wir hatten gerade alles weggeräumt und wollten loslaufen als wir ein Geräusch hinter uns hörten. Wir trauten unseren Augen kaum und wurden kreidebleich, in nicht einmal 5 Metern Entfernung stand neben uns ein ausgewachsener Grizzlybär. Der Puls schlug bis zum Hals und uns zitterten die Knie. Was jetzt? Theoretisch wussten wir alles – aber in einer solchen Situation … Ganz langsam gingen wir rückwärts um das Auto und damit aus dem Sichtbereich des Bären. Der kümmerte sich absolut nicht um uns, die Gerüche am Wohnmobil waren für ihn viel interessanter. Atemlos vor Angst und mit zittrigen Händen konnte ich noch einen Schnappschuss machen ehe der Grizzly die Uferböschung zum Fluss hinunter tapste und den ganzen Bach entlang lief bis er an der Aussichtsplattform zum Fotomotiv der vielen Touristen wurde.

Petra hatte sich immer so sehr gewünscht, Bären aus nächster Nähe beobachten zu können. Dieser Wunsch war mehr als in Erfüllung gegangen.

08.09.09 – Über Smithers nach Vancouver

In unserem Terminkalender stand unter dem 14.09.2009: ´Ankunft Katharina in Vancouver´. Unsere Tochter wird mit uns 3 Wochen durch Kanada reisen und wir müssen pünktlich am Airport stehen. Auf dem Weg nach Vancouver besuchten wir Petra und Mario, die zwei deutschen Auswanderer, welche wir in Mackenzie kennen gelernt haben. Sie freuten sich sehr über unseren Besuch. Bei einem zünftigen BBQ hatten wir Zeit, viele unserer Fragen los zu werden und wir haben einiges von Kanada und dem Leben hier erfahren. Am nächsten Morgen wurden wir mit einem echt kanadischen Frühstück, bestehend aus gebratenen Schinken, Ei sowie Pancakes (Pfannkuchen) mit Mapple Sirup (Ahornsirup), verwöhnt. Jeder Wunsch wurde uns von den Augen abgelesen und wir verbrachten zwei wunderschöne Tage in Smithers. Schade, dass der Abschied manchmal so schwer fällt, gern wären wir noch einen weiteren Tag geblieben. Auf der weiteren Fahrt nach Vancouver hatten wir das Glück jeden Abend einen wunderschönen Stellplatz an einem See oder einmal auch auf Indianerland zu finden. Langsam haben wir den richtigen Blick dafür. Pünktlich standen wir dann in Vancouver am Airport und konnten unsere Tochter in die Arme schließen.

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