Donnerstag, 4. November 2010

28.08.2010 – 21.09.2010: Mit Felix von Mexiko City nach Guatemala


28.08.2010 – Mexiko City und Teotihuacán


Die Entscheidung, ob wir mit dem Wohnmobil oder den „Öffentlichen“ zum Aeropuerto fahren werden, um unseren Sohn Felix abzuholen, war noch nicht getroffen, als uns die Besitzerin des Campingplatzes gegen Mittag herzlich begrüßte. Sie hatte einige Informationsbroschüren über Mexiko City und Teotihuacán sowie viele gute Tipps für uns. Vor allem erleichterte sie uns die Entscheidung für die „Öffentlichen“, und es war die richtige Entscheidung.

In Mexiko City, der 25 Millionen-Metropole, ist Individualverkehr durch hohe Maut- und Parkgebühren sowie ständig verstopfte Straßen und unzählige Baustellen nicht nur teuer, sondern auch zeitintensiv und nervenaufreibend. Als Alternative dazu gibt es ein hervorragend funktionierendes Bus- und Metrosystem. Sieht man mal von der Hauptverkehrszeit ab, wo sich unglaubliche Menschenmassen in die Metrozüge quetschen, dann ist es ein ideales Verkehrsmittel. Für 3 Pesos (weniger als 20 Cent) konnte man so weit fahren und so oft umsteigen, wie man wollte. Ebenso konnten wir den Ruf, dass die Metro unsicher sei, weder bei unserer ersten Fahrt noch an den folgenden Tagen bestätigen. Polizei und Security trugen mit ihrer Präsenz dazu bei, dass wir uns recht sicher gefühlt haben. Natürlich waren wir auch vorsichtig, haben allzu überfüllte Züge nicht benutzt und sind vor allem nicht nachts unterwegs gewesen.

Mit Bus und Metro waren wir dann so schnell am Aeropuerto, dass wir bis zur Ankunft unseres Sohnes noch über eine Stunde Zeit hatten. Die Maschine aus Paris war pünktlich und dann stand unser Felix vor uns, etwas abgekämpft von dem langen Flug, aber genauso glücklich wie wir und voller Erwartungen an die gemeinsame Zeit.

Am nächsten Tag gab es erst einmal viel zu erzählen, bevor wir am Nachmittag die Hauptattraktion von Teotihuacán, die Heimat der Götter, besuchten. Das antike Teotihuacán war die Hauptstadt von Mexikos größten vorkolonialem Imperium, sie war die größte Stadt des alten Amerika und hatte zu ihrer Blütezeit in den Jahren 200 bis 500 über 200.000 Bewohner. Es war eine steinzeitliche Gesellschaft auf höchster Entwicklungsstufe in Hinblick auf Wissenschaft, Wirtschaft und Architektur. Der Niedergang der Stadt ist ungeklärt. Als die Azteken um 1250 im Hochtal von Mexiko ankamen war Teotihuacán schon mindestens ein halbes Jahrtausend verlassen. Sie konnten sich die gigantischen Bauten und die 40 Meter breiten Straßen nur als Hinterlassenschaft übernatürlicher Wesen erklären. So wurde der Mythos geschaffen, dass die Stadt von Riesen gebaut wurde und die Götter hier zu Hause sind. Sie nannten die Stadt „Heimat der Götter“, auf aztekisch Teotihuacán.

Ähnlich überwältigend wie damals für die Azteken war auch für uns der erste Eindruck von der Stadt. An der 2 Kilometer langen Straße der Toten stehen zu beiden Seiten die Ruinen von Pyramiden, Opferstätten und von den Palästen der Würdenträger. Höhepunkte sind jedoch die monumentale, 70 Meter hohe Sonnenpyramide mit einer Grundfläche von 225 mal 225 Meter, und die etwas kleinere Mondpyramide. Den schönsten Ausblick auf die gesamte Anlage soll man von der Mondpyramide aus haben. Nach dem beschwerlichen Aufstieg, die Stufen sind ungewöhnlich hoch, konnten wir diesen schönen Panoramablick genießen. Die Straße der Toten lag unter uns und verlor sich in der Ferne. Am Ende dieser antiken Allee befindet sich die Zitadelle mit dem Templo de Quetzalcóatl, einst Residenz des obersten Herrschers der Stadt. Als wir die ganze Anlage besichtigt hatten und verschwitzt, durstig und ziemlich müde wieder an der Mondpyramide ankamen war erst einmal Zeit für eine Pause. Irgendwie hatte uns dann doch der Ehrgeiz gepackt und wir sind auch noch auf die große Sonnenpyramide gekraxelt. Der Ausblick auf die antike Stadt und die sie umgebende Landschaft war faszinierend. Nach dem nicht weniger beschwerlichen Abstieg hatten wir dann aber wirklich genug.

Am nächsten Tag stand Mexiko City auf dem Programm. Mit einem Spaziergang durch das historische Zentrum, der Besichtigung von Kathedrale und Regierungspalast sowie einer Stadtrundfahrt im offenen Doppeldeckerbus verschafften wir uns einen Überblick über die Stadt. Dann, am zweiten Tag, das Mammutprogramm. Das Nationalmuseum zur Anthropologie ist eines der bedeutendsten Museen weltweit – also ein absolutes Muss für Mexikoreisende. Die Kunstschätze, Völker und Kulturen Mexikos werden hier in einer großartigen und einmaligen Exposition präsentiert, aber so vielfältig und vor allem umfangreich wie Mexikos Kultur ist auch das Museum selbst. Nach 4 Stunden waren wir nicht mehr aufnahmefähig, ein weiterer Tag wäre erforderlich gewesen. Zur Ablenkung sind wir durch die Zona Rosa, dem eher kosmopolitischen Stadtteil, und die Colonia Condesa, mit ihren vielen Villen und Gebäuden im Art-deco- und im kalifornischen Kolonialstil, gebummelt.

Über Mexiko City könnte man noch so viel schreiben, was aber den Rahmen dieses Berichtes sprengen würde. Es ist mir an diesem Punkt wichtiger, zu den vielen Klischees über diese Stadt Stellung zu nehmen. Mexiko City ist nicht der versmogte und schmutzige Moloch, der an seinem eigenen Wachstum zu ersticken droht, sondern eine moderne, saubere, recht sichere und gut organisierte Stadt mit unzähligen Parks, viel öffentlicher Kunst und sehr netten Menschen. Mexiko City kann sich gut mit europäischen Großstädten vergleichen, sieht man mal von den ärmlichen Stadtrandsiedlungen ab. Wir waren uns anfangs nicht sicher, ob wir die Hauptstadt auf unserer Reiseroute auslassen werden und sind heute sehr froh darüber, dass wir uns nicht von oberflächlichen und überzogenen Berichten beeinflussen ließen. Mexiko City ist immer wieder einen Besuch wert.

02.09.2010 – Über Puebla nach Oaxaca

Wieder einmal hatte die Besitzerin des Trailerparks in Teotihuacán wertvolle Tipps für uns, diesmal erklärte sie uns, wie wir, ohne die „Hoy No Circula“-Straßen benutzen zu müssen, ostwärts aus der Stadt kommen. Wir hatten an diesem Tag, auf Grund der Zahlenkombination unseres Nummernschildes, in und um Mexiko City herum Fahrverbot.

Problemlos erreichten wir Puebla und den im Vorort Cholula liegenden Trailerpark. Cholula ist eine der ältesten Städte Amerikas, sie war seit etwa 200 v. Chr. bis heute ununterbrochen bewohnt, und sie besitzt eine unsichtbare Attraktion - die an Volumen größte Pyramide der Welt. Sieben verschiedene Zivilisationen hinterließen hier ihre Spuren und doch ist von der Tepanapa-Pyramide, obwohl mitten in der Stadt gelegen, nicht viel zu sehen. Als die Spanier 1550 die erste Kapelle auf den Hügel setzten war die Pyramide schon komplett mit Erde bedeckt und mit Pflanzen überwuchert, sie ahnten nichts von der religiösen Stätte unter ihrer Kapelle. Die heutige Kirche Nuestra Señora de los Remedios, mit einer überaus prunkvollen, typisch mexikanisch-barocken Ausgestaltung, stammt aus dem 19. Jahrhundert. Sie wurde gebaut, nachdem die frühere Kapelle durch ein Erdbeben zerstört wurde. Vom Platz vor der Kirche hat man einen schönen Blick zu den Vulkanen Iztaccihuatl und Popocatepetl.

Die Pyramide unter der Kirche wurde in den letzten Jahren an einigen Stellen freigelegt und rekonstruiert. Zur wissenschaftlichen Untersuchung durchörterte man den Hügel systematisch. Heute sind über 8000 Meter Tunnel vorhanden und teilweise auch für Besucher geöffnet.

Unser, als nächstes geplanter Spaziergang in der Altstadt von Cholula fiel dann sprichwörtlich ins Wasser. Innerhalb weniger Minuten verdunkelte sich der Himmel und es goss wie aus Eimern. Nach einem Dauerlauf erreichten wir, völlig durchnässt, unser Wohnmobil. Gut, dass Felix noch etwas besser in Form war als wir. Er war der Erste am Hobby und konnte noch rechtzeitig das Dachfenster schließen und so das Schlimmste verhindern. Nach einer heißen Dusche und einem Glas Tee fühlten wir uns wieder wohl. Während es draußen weiter regnete machten wir es uns im Hobby bequem und verbrachten den Abend beim gemeinsamen Kartenspiel.

Am nächsten Tag stand Puebla auf dem Programm. Mit dem Colectivo, einem öffentlichen Kleinbus, fuhren wir ins historische Zentrum des mexikanischen Wolfsburg. Die Stadt ist heute sehr stark vom VW-Werk geprägt, viele gut bezahlte Jobs, Steuereinnahmen und ein gewisser Wohlstand sind die positiven Auswirkungen.

In der historischen Innenstadt fühlten wir uns auf Anhieb wohl. Hier pulsiert das einfache Geschäftsleben Pueblas. In den liebevoll restaurierten Häusern befinden sich unzählige Restaurants und Läden, die nach alter Tradition in bestimmten Straßen die gleichen Waren anbieten. Wir laufen durch Straßen mit Schuhgeschäften, eines neben dem anderen, dann kommen Möbel und Eisenwaren. Dies hat den Vorteil, dass man ohne größere Wege die Waren vergleichen und günstig kaufen kann.

Beeindruckt hat uns die Kathedrale am Zocalo. Sie ist, nach der in Mexiko City, die zweitgrößte Kathedrale in Mexiko – aber innen fast noch harmonischer und wertvoller ausgestattet. Ihre, zwei 70 Meter hohen Glockentürme sind die höchsten des Landes. Mit einem schönen Blick auf Kathedrale und Zocalo haben wir dann auf dem Balkon eines Restaurants gesessen und das quirlige Leben beobachtet. Schuhputzer boten ihre Dienste an, Blumen- und Luftballonverkäufer warben um Kunden, Geschäftsleute eilten zu ihrem nächsten Termin und die Schulkinder, in ihren einheitlichen Uniformen, neckten sich gegenseitig auf dem Heimweg.

Die Rückfahrt im Bus nach Cholula war wieder ein Erlebnis. Ohne Rücksicht raste der Fahrer durch Löcher und über Topes, alles klapperte und wir wunderten uns, dass die alten Mercedes-Busse nach diesen jahrelangen Torturen überhaupt noch fuhren und nicht schon lange auseinander gebrochen sind. Auf dem Trailerpark in Cholula gab es dann noch eine Überraschung, die Schweizer Maja und Hans, die wir in Guanajuato kennen gelernt hatten, standen mit ihrem Allrad-Mercedes neben uns. Bei einigen Bieren haben wir Erfahrungen und Pläne ausgetauscht und einen netten gemeinsamen Abend verbracht.

Am nächsten Vormittag starteten wir nach Oaxaca. Die Fahrt, für einen Tag geplant, dauerte dann doppelt so lange, weil sich die Straße in einem katastrophalen Zustand befand. An vielen Stellen war sie weggebrochen oder vom abgerutschten Hang teilweise verschüttet. An einer Stelle prasselte direkt vor uns eine Steinlawine auf die Straße. Was wäre mit unserem Auto passiert, wenn wir hundert Meter weiter gewesen wären? Wir mussten erst die größten Steine wegräumen, ehe wir vorsichtig die Stelle passieren konnten. Für die Mexikaner ist dieser Zustand normal, es ist Regenzeit, da passiert so etwas eben.

In Oaxaca angekommen erlebten wir die schlechtesten Straßen unserer bisherigen Reise in einer Stadt. Tiefe Löcher reihten sich aneinander und brachten unseren Hobby, selbst bei Schrittgeschwindigkeit, so stark zum Schaukeln, dass in den Schränken alles durcheinander fiel. Die Stadt selbst hat uns enttäuscht, sie hatte einfach keine Atmosphäre. Vielleicht haben wir aber auch schon so viel Schönes gesehen, dass sich unsere Maßstäbe verschoben haben. Erwähnenswert sind die exotischen Delikatessen, wie getrocknete Grillen und geröstete Heuschrecken, für die Oaxaca berühmt ist. Sie wurden überall auf dem Markt angeboten, für Felix und mich war das Kosten der Heuschrecken eher Spaß und Mutprobe als kulinarischer Genuss.

Da war die Verkostung in Matatlan doch eher nach unserem Geschmack. In der traditionellen Mezcal-Brennerei wurde alles noch so gemacht, wie vor hunderten von Jahren. Die gekochten Agaven-Piñas, also nur die inneren Teile der Agaven, wurden durch einen Malstein, angetrieben von einer Pferdestärke, zerkleinert, vergoren und dann über einem Holzfeuer destilliert. Es sah nicht ganz so appetitlich aus – aber das Ergebnis zählte, und das haben wir in der kleinen Verkaufsstelle ausgiebig probiert und gekauft. Auch die Flasche mit dem Agavenwurm, eigentlich nur ein Marketinggag, durfte nicht fehlen. Zur Weiterfahrt war es nun schon zu spät, und so blieben wir gleich vor der kleinen Mezcal-Manufaktur stehen, fachsimpelten mit Händen und Füßen über Mezcal und deren Herstellung und kosteten uns so langsam in Schlafstimmung. Jetzt kennen wir auch den Unterschied zwischen Mezcal und Tequila. Jeder Agavenschnaps ist ein Mezcal, einzig der in der Gegend um Tequila aus blauen Agaven hergestellte Schnaps darf sich exklusiv Tequila nennen.

Monte Albán, die größte und schönste Zapoteken-Stätte, liegt nur 10 Kilometer westlich von Oaxaca, auf einem abgetragenen und planierten Bergrücken, in 1936 Meter Höhe. Wir fuhren auf der steilen und kurvenreichen Straße zum Haupteingang und waren fast die ersten Besucher. Von der nördlichen Plattform hatten wir den besten Überblick über die Gran Plaza mit den darum gruppierten Pyramiden und Komplexen. Hinter den, bis zu 2000 Jahre alten Bauten sahen wir die umliegende Landschaft, Täler und Berge, wie eine Theaterkulisse. Dadurch schien es, als würde die gewaltige Anlage zwischen Himmel und Erde schweben. Es ist ein wahrlich erhabener Ort und wir konnten uns gut vorstellen, wie nah man sich hier seinen Göttern und dem Himmel gefühlt haben muss. Unbegreiflich, warum auch Monte Albán im Jahre 750 von den Zapoteken verlassen wurde. Ein Rätsel, auf das es bis heute keine Antwort gibt.

07.09.2010 – Pazifikküste und Chiapas

Sie war weder erholsam noch interessant, die Fahrt von Oaxaca zum Pazifik. Die Straße war in einem schlechten Zustand, oft verschüttet oder weggebrochen, und dazu Nebel und Regen. Wir quälten uns durch die Sierra Madre del Sur, bewältigten zweimal einen Höhenunterschied von 1500 Metern und fuhren dann, auf kurvenreicher Strecke, am Westhang des Gebirges, von fast 3000 Meter Höhe, zur Küste. Dabei durchquerten wir mehrere Klimazonen und einen tropischen Regenwald, der seinen Namen alle Ehre machte – Regen ohne Ende.

Wir hatten schon fast vergessen, wie sich die feucht-warme Luft an der Küste anfühlt und wurden schnell in die Wirklichkeit zurückgeholt, als wir spätabends in Zipolite die Tür unseres klimatisierten Wohnmobils öffneten und gegen eine Wand aus Wärme und Feuchtigkeit prallten. Moskitos umschwirrten uns und nutzten jede Gelegenheit, um ins Wohnmobil zu gelangen. „Das ist also die schöne Pazifikküste“ – Felix war anfangs etwas enttäuscht.

Am nächsten Morgen sah schon alles ganz anders aus. An die feuchte Wärme hatten wir uns recht schnell gewöhnt und das urige Zipolite ließ uns die letzte Nacht, in der wir unser Wohnmobil mit blutrünstigen Moskitos geteilt haben, schnell vergessen. Die Küste ist hier wirklich wunderschön.

Nur 50 Kilometer weiter südlich liegt Bahía de Huatulco, das ehrgeizige Tourismusprojekt der mexikanischen Regierung - ein völliges Kontrastprogramm zu Zipolite. Hier war alles neu, sauber – und teuer. Zwei Tage genossen wir die Annehmlichkeiten an der Bucht von Santa Cruz, dann mussten wir weiterfahren. Unser Zeitplan ließ uns wenig Spielraum.

Recht weit kamen wir aber nicht, nach 20 Kilometern auf der Mex 200 stauten sich die LKW. Die Fahrer schliefen unter ihren Autos oder saßen zusammen beim Frühstück. Etwa 3 Kilometer liefen wir am Stau entlang, bis wir die Ursache sahen. Das kleine Straßendorf Copalita hatte die einzige Verbindungsstraße nach Süden verbarrikadiert und hielt eine Protestdemonstration ab. Die Dorfbewohner saßen mit Campingstühlen auf der Straße und diskutierten impulsiv. Ihre Gesichter zeigten Trotz und Entschlossenheit. Zurück am Wohnmobil gab es für uns nur eine Alternative – wenden und zurück an der Strand. Mit unserem Hobby war das Wenden auf der schmalen Straße kein Problem, die Trucks aber hatten diese Möglichkeit nicht, sie mussten abwarten.

Am nächsten Morgen, das gleiche Bild. Der Stau war sogar noch länger geworden. Es gab an der letzten Kreuzung keine Warnung der Polizei, so dass weitere Trucks in die Falle gefahren sind. An der Straßensperre ging es diesmal lockerer zu, es wurde gekocht und gegrillt, die Fahrer ließen sich von den Frauen versorgen und alles wirkte wie auf einem Dorffest – nur die Sperre blieb zu. „Vielleicht morgen“ antwortete man auf unsere Frage, wann wir durchfahren könnten. Die Gelassenheit der Fahrer, die nun schon den 3. Tag hier ausharren mussten, war bewundernswert. Es schien, als ob sie sich mit den Dorfbewohnern solidarisierten, zumindest hatten sie Verständnis für die Situation. „Also noch mal Strand“ sagte Felix etwas frustriert, „unser Zeitplan kommt aber mächtig durcheinander“. Der nächste Tag sollte die Entscheidung bringen.

Nach unserem morgendlichen Bad im Pazifik und einem guten Frühstück starteten wir einen neuen Versuch – und fanden die Situation unverändert vor. „Heute muss etwas passieren“, sagte ich sichtlich gereizt, „dann müssen wir eben doch über Oaxaca zurückfahren“. Es wäre die schlechteste Lösung gewesen, 400 Kilometer Umweg auf katastrophalen Straßen, um dann dort anzukommen, wo wir vor einer Woche schon waren. Ein junges Paar in einem Dodge-Van sprach uns an. Sie kannten eine Umfahrung über die Berge, wollten aber nicht allein fahren. Wir willigten ein und begaben uns auf eine 60 Kilometer lange abenteuerliche Fahrt. Geröll, Schlamm, Wasser – es war alles dabei, und nach 7 Stunden waren wir erschöpft, aber glücklich, wieder auf der Mex 200. Unser Hobby hat sich auf der Strecke gut bewährt, ohne Hinterradantrieb hätten wir es aber sicher nicht geschafft.

Mit 3 Tagen Verzug war unsere ursprüngliche Reiseplanung nicht mehr zu realisieren. Die geplante Route nach Palenque und die Einreise im Norden von Guatemala, um Tikal zu besuchen, mussten wir nun radikal ändern. San Cristóbal de Las Casas und das Tzotzildorf San Juan Chamula vermittelten Felix noch einen kleinen Eindruck von Chiapas und den Bräuchen der hier lebenden Indigenas, und dann fuhren wir ohne Umwege zur Grenze.

14.09.2010 – Hasta luego Mexico

Auf der Fahrt durch das grüne Hochland Chiapas bis zur Grenze erzählten wir viel von der zurückliegenden Zeit in Mexiko. Nahezu 6 Monate haben wir in Mexiko verbracht, 15.000 Kilometer auf Straßen unterschiedlichsten Zustandes zurückgelegt und das Land, seine Menschen und die vielfältige Kultur kennen gelernt. Aus dem anfänglichen Kulturschock ist eine tiefe Verbundenheit und Zuneigung geworden.

Mexiko ist ein Land der Gegensätze! Verfallene und schmutzige Dörfer stehen im Kontrast zu prunkvollen Kolonialstädten, vermüllte Natur zu absoluter Sauberkeit, Schlaglochpisten zu modernen Highways und bittere Armut zu verschwenderischem Reichtum. Besonders bei den armen Menschen haben wir die Lebensfreude und die Kraft, sich jeden Tag irgendwie durchzuschlagen, bewundert. Dabei sind die Mexikaner sehr einfallsreich. Überall wurde irgendetwas verkauft und an fast jeder Ecke gab es einen primitiven Straßenimbiss. Auch als Einweiser auf dem Parkplatz oder mit dem Verfüllen von Schlaglöchern auf den Straßen erhofften sich manche eine kleine Spende. Mit großer Gelassenheit wird das Wohlstandsgefälle zwischen Reichen und Armen akzeptiert. Man nimmt es als gegeben hin und findet Halt in der Familie und im Glauben.

Unvergesslich bleiben uns die herrlichen Landschaften, die traumhaften Strände, die einzigartigen Zeugnisse der Kolonialzeit und die großartige vorspanische Kultur der Maya, Azteken, Tolteken und Zapoteken. Darüber hinaus beeindruckten uns immer wieder die Herzlichkeit, die Gastfreundschaft und der Nationalstolz der Mexikaner.

Mexiko ist ein tolles Reiseland und deshalb sagen wir nicht „Adios“ sondern „Hasta luego Mexico“ – wir kommen gern wieder!


16.09.2010 – Guatemala: Lago de Atitlán und Antigua

An der Grenze zwischen Mexiko und Guatemala ging nichts mehr. Eine lange Autoschlange stand vor dem geschlossenen Schlagbaum - und wir standen mittendrin. Der Grund für die kurzzeitig geschlossene Grenze war aber eher ein positiver. Musik- und Tanzgruppen aus Mexiko und Guatemala demonstrierten ihre Freundschaft und verwandelten den sonst eher nüchternen Grenzübergang in einen Ort der Lebensfreude und Verbundenheit. In Guatemala wurde der Unabhängigkeitstag gefeiert. Nach einer Stunde war die Show vorbei und wir konnten ohne Probleme die Grenze passieren.

Guatemala begrüßte uns mit aufwändig, in blau-weiß geschmückten Straßen und einer Fiesta in jedem kleinen Straßendorf. Am frühen Nachmittag torkelten die ersten Betrunkenen über die Straßen und veranlassten uns zu einer extrem vorsichtigen Fahrweise. Im Hochland dann ein anderes Bild. Hier, in der von Indigenas geprägten Gegend, wurde nicht gefeiert, hier war der normale Alltag gegenwärtig. Viele Indigenas waren zu Fuß unterwegs. Sie trugen Körbe auf dem Kopf und ihre Kleinkinder in Wickeltüchern auf dem Rücken. Die knapp vorbeifahrenden Autos beeindruckten sie genau so wenig, wie der später einsetzende starke Regen. Für uns war es eine schwierige Fahrt, weil der Regen und der starke Nebel die an vielen Stellen weggebrochene oder verschüttete Straße noch gefährlicher machten.

Die letzte Herausforderung an diesem stressigen Tag war die Fahrt über eine gefährliche, an den Hang gebaute Serpentinenstraße zum 500 Meter tiefer liegenden Atitlan-See. Hier hatte, die seit vielen Jahren schlimmste Regenzeit die Straße komplett weggespült. Auf einem schlammigen, in den Berg geschürften Pfad passierten wir diese Stelle mit Herzklopfen. Gegen 21:00 Uhr hatten wir es dann geschafft, wir standen am Hotel Tzanjuyú, direkt am See, und ließen uns eine frisch gebackene Pizza schmecken – natürlich aus dem bordeigenen Backofen.


Am nächsten Morgen wurden wir von Sonnenstrahlen geweckt. Der See lag still im Morgendunst, am gegenüber liegenden Ufer sahen wir die Vulkane Atitlán, Tolimán, San Pedro sowie den kleinen Cerro de Oro. Es war ein erhebender Anblick und wir konnten jetzt auch verstehen, dass Alexander von Humboldt den Atitlán-See als den schönsten See der Welt bezeichnete.

Panajachel selbst ist ein recht touristisch geprägter Ort mit allem, was man für einige Urlaubstage braucht. Wir blieben 3 Tage hier, wanderten ein bisschen und besuchten das auf der anderen Seeseite gelegene San Pedro. So schön und idyllisch der See auch vom Ufer aus wirkte, bei der Bootsfahrt haben wir sein Problem sehr deutlich erkannt: der Atitlan-See ist verdreckt. Plastikflaschen und andere Abfälle schwammen in großer Menge auf der Oberfläche und prasselten während der Fahrt gegen den Bootsrumpf. Selbst leere Ölkanister schwammen im See und hinterließen eine entsprechende Spur im Wasser. Wann werden die Menschen in diesem Teil der Welt endlich begreifen, dass sie damit ihre eigene Zukunft und die ihrer Kinder ruinieren.

Von Panajachel aus starteten wir in Richtung Antigua. Noch einmal mussten wir die kritische Stelle an der Serpentinenstraße passieren, aber diesmal wenigstens bei Tageslicht. Einige Arbeiter waren mit dem Bau einer provisorischen Brücke beschäftigt – sie hielt! In Antigua fuhren wir direkt zu dem unter Travellern bekannten Stellplatz auf dem Gelände der Touristenpolizei. Er lag nicht gerade idyllisch, aber die Nähe zum Zentrum und vor allem die Sicherheit auf dem Gelände waren hier wichtiger.

Antigua wird allgemein als die reizvollste Stadt Guatemalas bezeichnet. Sie hat sich ihren kolonialen Charme erhalten, hat Ambiente. Über 200 Jahre lang war Antigua die Hauptstadt Guatemalas, mehr als 50 prunkvolle Kirchen, Klöster und Konvente wurden in kürzester Zeit errichtet und machten Antigua zur schönsten Hauptstadt der „Neuen Welt“. Das verheerende Erdbeben vom 29. Juli 1773 verwandelte die Stadt innerhalb weniger Minuten in einen Trümmerhaufen. An den noch vorhandenen Ruinen konnten wir die ehemalige Schönheit der Architektur erkennen. Abends, als die spärliche Straßenbeleuchtung die holprig gepflasterten Straßen ins Halbdunkel tauchte, die urigen kerzenbeleuchteten Kneipen und Bars einladend ihre Türen und Fenster geöffnet hatten und den Blick auf die grob gezimmerten mittelalterlichen Tische und Stühle freigaben, da verstanden wir, dass wir hier in einer ganz besonderen Stadt waren.

„In Antigua kann man es schon noch etwas aushalten“. Dieser so leichtfertig gesagte Satz brachte uns in die Realität zurück. Wir, Petra und Bernd, wollten noch einige Zeit in Antigua bleiben und auch etwas Spanisch lernen, für Felix war der Tag des Abschiedes gekommen. Pünktlich stand das Taxi zum Aeropuerto am Wohnmobil, eine schöne gemeinsame Zeit ging zu Ende.


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