Mittwoch, 23. März 2011

28.12.2010 – 12.02.2011: Durch Kolumbien


29.12.2010 – Zweimal Schlamm war genug

Wir konnten es kaum erwarten. Nach den Weihnachtsfeiertagen ging unsere Reise endlich weiter. Unser erstes Ziel war die Halbinsel Barú, südwestlich von Cartagena gelegen. Die Vororte von Cartagena, durch die wir uns in langsamer Fahrt quälten, waren eng, etwas heruntergekommen und chaotisch – wobei Letzteres vor allem den Verkehr betraf. Busse, Trucks und Pickups hatten sich die Strasse schon untereinander aufgeteilt. Dazwischen kurvten in waghalsiger Fahrt, jede kleine Lücke ausnutzend, unzählige Mopeds und Motorräder und dann gab es noch die Händler mit ihren schweren Holzkarren, die den Wahnsinn perfekt machten.

Nur wenige Kilometer weiter wartete die nächste Herausforderung des Tages auf uns. Wir mussten auf einer Autofähre zur Halbinsel Barú übersetzen, wobei die Fähre nur eine schwimmende Plattform war, an der ein kleiner Kahn mit einem Außenbordmotor angebunden war. Mit höchster Drehzahl kämpfte der sichtlich unterdimensionierte Motor gegen die Strömung des Flusses an, und brachte uns dann doch irgendwie an das gegenüberliegende Ufer. Den Gedanken, was beim Ausfall des Motors alles hätte passieren können, haben wir nicht zu Ende gedacht.

Die Schotterstraße zur Spitze der Halbinsel, wo auch der berühmte Strand Playa Blanca liegt, war so schlecht zu befahren, dass wir unseren Zeitplan völlig überzogen haben. Auf dem Gelände eines Militärpostens fanden wir einen sicheren Stellplatz, bis dann am nächsten Morgen, Punkt 06:00 Uhr, das lautstarke Leben auf dem Gelände begann und damit auch für uns die Nacht vorbei war.

Die weitere Fahrt zum Traumstrand fand an der abzweigenden Zufahrt zum Playa Blanca ihr Ende. Die Straße war, auf Grund des Regens der letzten Tage, eine einzige Schlammpiste. Meine Erkundung zu Fuß brachte die Gewissheit, hier fahren wir mit unserem Hobby nicht rein. Petra war anfangs etwas enttäuscht, aber das Risiko im weichen Schlammboden stecken zu bleiben war uns einfach zu groß. Wir wendeten und fuhren die Holperpiste bis zur Fähre zurück, setzten zum anderen Ufer über und passierten auf unserer Fahrt nach Nordosten nochmals Cartagena.

Jetzt waren es nur noch 50 km bis zum Vulkan Lodo El Totumo, einem der kleinsten Vulkane der Welt, der durch seine Besonderheit trotzdem zur Weltattraktion wurde. Auf einer Holzstiege erklommen wir den Gipfel des nur 15 Meter hohen Vulkans und blickten in den Krater. Was wir hier zu sehen bekamen war schon außergewöhnlich. Der Vulkankrater war ausgefüllt mit cremigem Schlamm und Menschen, die sich darin mit großer Begeisterung suhlten. Zum Teil waren sie völlig im Schlamm untergetaucht und hatten sich dann nur Augen und Mund frei gerieben.

So überrascht, wie hier dargestellt, hatte uns der Anblick natürlich nicht. Wir waren ja gerade wegen dem wohltuenden und heilenden Schlamm hierher gekommen und konnten es kaum erwarten, auch in den Schlammkrater zu steigen. Es war ein ganz außergewöhnliches Gefühl! Der lauwarme cremige Schlamm fühlte sich an wie Schlagsahne, und nach wenigen Augenblicken hatten wir uns an dieses besondere Bad gewöhnt und fanden es sehr wohltuend. Unter uns befanden sich 2000 Meter Schlamm, aber es bestand keine Gefahr unterzugehen. Aufsteigende Gase, die blubbernd an der Oberfläche austraten, sorgten für einen solch starken Auftrieb, dass wir uns im Schlamm kaum senkrecht halten konnten. Unsere Beine wurden wie durch Geisterhand nach oben gedrückt. Nach dem ausgiebigen Schlammbad spülten wir uns in der nahegelegenen Lagune den Schlamm vom Körper, duschten im Hobby und fühlten wir uns wie neugeboren.

30.12.2010 – An der Karibikküste

Wir fuhren weiter nach Nordosten, immer an der Karibikküste entlang. Hinter Barranquilla, in einem sumpfigen Gebiet zwischen Lagunen und dem offenen Meer, liegt das Städtchen Ciénaga. Hier hatte es seit April fast pausenlos geregnet und weite Teile der Stadt in einer braunen stinkenden Brühe versinken lassen. Rechts und links der Straße standen die ärmlichen, fast vollständig überfluteten Hütten. Die Bewohner hatten jedoch keine andere Bleibe und lebten weiterhin in diesen baufälligen Behausungen oder unter einer Plane auf den Dächern ihrer Häuser. Barfuß wateten sie durch den angeschwemmten Schmutz, in dem auch ihre Kinder spielten. Manche hatten das Glück, einen alten Kahn zu besitzen, mit dem sie ihr Haus erreichen konnten.

An der Straße standen unzählige Bewohner dieses Katastrophengebietes, vor allem Frauen und Kinder, die versuchten, von den Autofahrern einige Kleinigkeiten zu erbetteln. Wir waren sehr bedrückt über diese Situation, wollten helfen. Bei einer Familie hielten wir an und gaben ihnen eine warme Decke, zwei Handtücher und einige Pesos. Es war wohl keine wirklich gute Idee, denn nach wenigen Augenblicken war unser Auto von etwa 20 Personen umringt, die ebenfalls etwas abhaben wollten. Sie bedrängten uns regelrecht, und ihre gierigen Blicke ins Innere des Wohnmobils verhießen nichts Gutes. Von allen Seiten kamen weitere Menschen auf uns zu, so dass wir mit Hupe und hoch drehenden Motor nur noch die Flucht ergreifen konnten. Betroffen und nachdenklich fuhren wir weiter. „Wie kann man bei dieser großen Not helfen? Jede Spende ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“ Wir hofften, dass wenigstens von den hohen Mautgebühren etwas bei diesen Menschen ankommt. Einige Tage später erfuhren wir aus der Neujahrsansprache des kolumbianischen Präsidenten Santos, dass die Regenfälle und Überschwemmungen im ganzen Land alles Bisherige übertroffen haben. Die Bilanz ist schrecklich: 296 Tode, 2,16 Millionen Betroffene, 1,32 Millionen Hektar fruchtbares Land überflutet und 3353 Häuser zerstört. Santos benannte die Schadenssumme mit annähernd 6 Milliarden US$ und verglich die aktuelle Katastrophe mit der in New Orleans, als Hurrikan Katrina die Stadt überflutete. Er stellte aber auch ein umfangreiches Hilfsprogramm vor, welches auch den Menschen in Ciénaga aus ihrer Not helfen wird.

Nach einigen Tagen auf dem ruhigen und abgelegenen Campingplatz Casa Grande und im Nationalpark Tayrona zog es uns noch mal nach Santa Marta. In Rodadero fanden wir ein schönes Plätzchen, nahe dem Strand und der Stadt. Das Wetter war ideal: blauer Himmel und eine leichte Brise bei 30 Grad. In Santa Marta leben auch einige Deutsche. In Giselas Eiscafe waren wir bald Stammgäste und mit Eugenia und Volker, einem kolumbianisch-deutschen Paar, verbrachten wir manche Stunde mit interessanten Gesprächen.

Unser Hobby erzeugte überall Aufmerksamkeit. Oft wurden wir von Kolumbianern gefragt, ob sie ein Bild vom Wohnmobil und vom Innenraum machen dürften, und sie staunten dann immer über die Ausstattung und den Komfort. Selbst die örtliche Presse hatte sich angemeldet, und wir beantworteten gern die Fragen zu unserer Reise und zum Mobil.

11.01.2011 – Durch die Ostkordilleren

Mit Santa Marta und Umgebung hatten wir den nördlichsten Punkt unserer Südamerikareise erreicht. Die Straße nach Süden verläuft am Fuße der Ostkordilleren, im Osten liegt das Gebirge und im Westen eine weite Hochebene, auf der Rinderherden und Pferde friedlich grasten.

In El Copey übernachteten wir auf dem Parkplatz der örtlichen Polizei. Unser Wohnmobil war an diesem Tag wieder einmal die Hauptattraktion im Ort. Bis spät am Abend kamen die Frauen der Polizisten mit ihren Kindern und bewunderten unser Auto. „Con cocina, baño y frigirífico“ (mit Küche, Bad und Kühlschrank) hörten wir sie flüstern und das Staunen nahm kein Ende.

Gestaunt haben auch wir am nächsten Tag, als wir mit unserem undichten hinteren Reifen an einer Reifenflickerei hielten und sahen, wie schnell und professionell der Reifen repariert wurde. Die ganze Großfamilie stand dabei und beobachtete jeden Handgriff. Nach der obligatorischen Frage nach dem woher und wohin war das Interesse wieder groß. Mit vielen guten Wünschen und einem freundlichen Schulterklopfen wurden wir verabschiedet.

In San Alberto mussten wir eine Entscheidung treffen. Hier beginnt die alte Gebirgsstraße durch die Ostkordilleren nach Bogota und auch eine alternative Schnellstraße. Die landschaftlich schönere Gebirgsstrecke war seit den schweren Regenfällen im Dezember gesperrt, weil Brücken weggespült und die Straße durch gewaltige Erdrutsche verschüttet wurde. Nach der offiziellen Information im Internet war die Straße immer noch nicht passierbar. Vor Ort, in San Alberto, bekamen wir jedoch an der Tankstelle und bei der örtlichen Polizei die Auskunft, dass wir schon durchkommen würden. Wir haben es riskiert und sind die Gebirgsstrecke gefahren. Die ersten 50 Kilometer waren sehr angenehm zu fahren, die Straße führte mit leichter Steigung in die Berge. Vor dem Ort El Playón staute sich dann der Verkehr, man sagte uns, dass an der Straße gearbeitet wird und das Passieren der Baustelle jeweils nur kurzzeitig in einer Richtung möglich ist. In einer Stunde sollte der Verkehr freigegeben werden. Aus dieser einen Stunde wurden dann sechs und es war schon dunkel, als sich die Fahrzeugschlange so langsam in Bewegung setzte. Weit sind wir aber nicht gekommen. Nach 4 Kilometern war im Ort El Playón schon wieder Schluss. Wir standen direkt neben einer Tankstelle und einen freien Parkplatz gab es auch. Ohne lange zu überlegen fuhren wir rechts raus und parkten unseren Hobby für die Nacht ein. In der angrenzenden Gaststätte gab es Würstchen vom Holzkohlegrill und kaltes Bier, so dass der Tag noch einen guten Abschluss nahm.

Am nächsten Morgen, kurz nach 5:00 Uhr, stand der Tankwart mit zwei Tinto (starken schwarzen Kaffee) vor unserer Tür und klopfte uns aus dem Schlaf. Unsere Richtung sollte in wenigen Minuten freigegeben werden. Schnell waren wir angezogen und bereit zum Start. Die Trucker auf der Straße hatten es nicht so gut wie wir. Sie mussten im Sitzen schlafen und immer bereit sein, einige Meter weiterzufahren. Langsam setzte sich die Kolonne in Bewegung. Schon an der ersten Baustelle sahen wir das Ausmaß dieser Naturkatastrophe. Nur provisorisch war die Straße von den meterhohen Schlammmassen frei geräumt, Häuser waren verschüttet oder zerstört, weil sie dem Erddruck nicht standgehalten haben. Auf den nächsten 50 Kilometern eine ähnliche Situation, dann wurden die Straßenverhältnisse wieder stabiler, wir waren umgeben von Berggipfeln und tiefen Tälern. Immer weiter schraubte sich die Straße, bis auf über 3000 Meter, in die Höhe. An vielen Stellen hatten wir spektakuläre Ausblicke. Tief unten schlängelte sich der Fluss im Licht der tief stehenden Sonne, wie ein silbernes Band, durch das Tal. In exponierter Lage wurde der Nationalpark Chicamocha gegründet und zwischenzeitlich in einen Erlebnispark ausgebaut. Für uns war nur der Parkplatz mit der atemberaubenden Aussicht auf den Cañon von Interesse, wo wir den Tag mit einem einmaligen Panoramablick beendeten und eine ruhige Nacht verbrachten.

16.01.2011 – Historisches Villa de Leyva

Man sagt, in Villa de Leyva ist die Zeit stehengeblieben, und wenn man durch die kopfsteingepflasterten Straßen dieser Stadt läuft und sich die historischen Gebäude betrachtet, dann kann man das nur bestätigen. Es ist eine kleine, aber absolut authentische Kolonialstadt, die fast vollständig in ihrer historischen Bausubstanz erhalten geblieben ist. Moderne Architektur sucht man vergebens. Rund um den Plaza Mayor, es ist der größte seiner Art in Kolumbien, stehen besonders eindrucksvolle Kolonialhäuser mit wunderschönen Innenhöfen, in denen sich heute Restaurants oder Cafés befinden.

Wir ließen uns durch die holprigen Gassen treiben und fühlten uns um Jahrhunderte zurückversetzt. Nichts störte den historischen Eindruck, sah man mal von den vereinzelt die Straße entlang holpernden Autos ab. Am Plaza Mayor setzte sich die Illusion fort, auch hier Mittelalter pur.

Der Platz war voller Menschen. Eine Gruppe Bauern in einfacher Leinenkluft und mit zerrissenen Strohhüten auf dem Kopf, stand in angeregtem Gespräch beieinander. Die Fäuste waren zum Protest erhoben und zeigten in Richtung Rathaus. In aufwändig gestickten Kleidern und unter aufgespannten Sonnenschirmen liefen hier die Damen der besseren Gesellschaft, begleitet von Herren in feinen Anzügen, vorüber. Das Rathaus wurde von Soldaten mit unförmigen Musketen bewacht.

Für den historischen Film, der hier gerade gedreht wurde, war die Stadt eine ideale Kulisse. Wir standen noch einige Zeit an der Plaza und betrachteten das Spektakel, als wir freundlich auf Deutsch angesprochen wurden. „Seid Ihr mit dem Hobby unterwegs?“. Vor uns standen Peter und Ruth, ein Schweizer Paar auf Südamerikatrip. Die Beiden kamen von Süden und hatten viele gute Tipps für uns. Leider wollten sie am nächsten Morgen weiterfahren, so dass wir uns noch am selben Abend auf dem netten und sauberen Campingplatz am Ortsrand trafen und unsere Erfahrungen austauschten. Gut, dass wir auch immer gleich die GPS-Daten bekamen, so dass es später ein Leichtes war, die interessanten Orte oder guten Übernachtungsplätze zu finden. Ein entsprechendes Gerät mit den Karten von Südamerika hat heute fast jeder Reisende dabei.

Mit Michele und Reto, einem weiteren Schweizer Paar, verbrachten wir noch einige Tage in Villa de Leyva. Das milde Klima und das historische Flair dieser Stadt begeisterten uns immer wieder aufs Neue. Dann verließen wir Villa de Leyva mit dem gemeinsamen Ziel Zipaquira.

25.01.2011 – Eine Kathedrale – ganz aus Salz

Erst am Abend kamen wir in Zipaquira an. Michele und Reto waren schon da und hatten uns einen Parkplatz vor dem Museum freigehalten. Hier standen wir sicher und recht ruhig.

Am nächsten Tag waren wir die ersten Besucher am Eingang zur Salzkathedrale, so dass wir den englischsprachigen Guide fast für uns allein hatten. Er wusste alles über die Salzgewinnung in diesem Bergwerk und den Bau der zwei Salzkathedralen. Die erste musste wegen Einsturzgefahr im Jahre 1992 für Besucher geschlossen werden. In 5-jähriger Bauzeit wurde ab 1990 die neue Salzkathedrale aus dem Salzgestein gehauen. Ein Kreuzgang mit 14 Stationen führte uns immer tiefer in den Berg hinein, bis wir staunend in der dreischiffigen Kathedrale standen. Mit 120 Meter Länge, 22 Meter Höhe und ca. 8000 Quadratmeter Fläche ist sie fast so groß wie der Kölner Dom. Bis zu 8000 Besucher haben in dieser monumentalen Kathedrale Platz. Im Innern besteht alles aus Salzkristall. Selbst die filigranen Engel und Madonnenstatuen sind aus Salz gemeißelt.

Es war für uns ein beeindruckendes Erlebnis, durch die Kathedrale, die kleinen Kapellen und den Kreuzgang zu wandeln und die Dimension dieser unterirdischen Kathedrale, sie zählt zu den größten religiösen Bauwerken der Welt, auf uns wirken zu lassen. Dabei haben die gezielt eingesetzten Lichteffekte die Wirkung noch verstärkt.

Beim anschließenden Spaziergang durch die nette kleine Altstadt von Zipaquira lauerte an jeder zweiten Ecke die Versuchung. ‚Carne asado’ ist der Begriff für lecker gewürztes Rind- und Schweinefleisch, welches auf einem Spieß am offenen Feuer gebraten wurde. Ich konnte dieser Versuchung nicht widerstehen und hatte mich dann mit der riesigen Portion knusprigen Fleisches fast übernommen. Gut, dass Basko auch ‚Carne asado’ mag, so dass wirklich nichts übrig geblieben ist.

28.01.2011 – Über die Zentralkordilleren zur Panamericana

Von Zipaquira aus fuhren wir auf der Umgehungsstraße um Bogotá herum und dann weiter westwärts. Die als ‚La Linea’ bezeichnete Querverbindung zwischen Bogotá und Armenia war eine Herausforderung für unser Wohnmobil und unsere Nerven. Im dichten LKW-Verkehr ging es bis auf über 3000 Meter in die Berge und dann wieder ins Tal der Zentralen Kordilleren. Die Kurven sind auf dieser Bergstrecke so steil, dass die großen Trucks die gesamte Gegenfahrbahn benötigten, um weit genug ausscheren zu können. Anwohner regelten an diesen unübersichtlichen Kurven den Verkehr und hofften, damit einige Pesos zu verdienen.

Im Tal, auf etwa 200 Meter Höhe angekommen war es drückend heiß und schwül. Die großen Parkplätze von öffentlichen Schwimmbädern oder von Hotels wären die idealen Übernachtungsplätze gewesen, aber dieses Klima wollten wir uns für die Nacht nicht antun. Nach Ibaqué stieg die Straße wieder an und die Temperaturen wurden erträglich – nur einen Übernachtungsplatz fanden wir nicht. Die schmale Straße schmiegt sich dicht an die Berghänge und lässt keinen Platz für Parkplätze oder Tankstellen. Auf keinen Fall wollten wir in der Dunkelheit auf dieser gefährlichen Straße weiterfahren. Wir hatten uns schon fast damit abgefunden, direkt neben der Straße zu übernachten, als uns wieder einmal der Zufall zu Hilfe kam. Eine kleine Gruppe der kolumbianischen Armee hatte auf einem ebenen Platz neben der Straße einen Kontrollposten errichtet und freute sich über die Abwechslung. Natürlich durften wir neben dem gepanzerten und bewaffneten LKW übernachten, aber erst einmal waren unzählige Fragen über unsere Reise und unser Wohnmobil zu beantworten. Mit frischem Obst und Gemüse als Gastgeschenk kam dann noch die ganze Familie von einer nahegelegenen Finca und lud uns für den nächsten Tag zur Besichtigung ein.

Kurz nach dem Frühstück stand der Patron, das Familienoberhaupt, am Wohnmobil und führte uns zu seiner Finca. Auf dem fast unzugänglichen Gelände am Steilhang wurden Bananen, Mandarinen, Tomaten, Kaffee und Kakao angebaut. Besonders die Bananenernte war sehr mühsam. Mit einem trittsicheren Pferd wurden die Stauden auf schmalen Pfaden nach oben transportiert. Die am sonnigen Hang, völlig ohne chemische Düngung, gewachsenen Bananen waren ein Genuss für uns. Um uns eine Freude zu machen, schenkte uns der Patron eine ganze Bananenstaude und wies jede Form einer Bezahlung energisch zurück. Mit einer Tafel Schokolade für das jüngste Familienmitglied und einigen Büchsen Bier bedankten wir uns.

Wie schnell die noch grünen Bananen in unserem warmen Stauraum reiften und wie lange wir drei; ja, auch Basko bekam jeden Tag eine Banane, an der Staude zu kauen hatten, ahnten wir damals noch nicht. Wir verschenkten Bananen, wo es ging, und hielten uns tapfer. Noch lange danach konnten wir keine Bananen mehr ersehen und bei freundlichen Geschenken dieser Art sind wir jetzt auch viel zurückhaltender.

01.02.2011 – Unverfälschte Kleinstädte und beeindruckende Landschaften

Armenia ist eine recht schmucklose Verwaltungshauptstadt. Die meisten älteren Gebäude wurden durch Erdbeben so stark beschädigt, dass sie abgerissen und nüchternen Neubauten weichen mussten. Anders als die Stadt ist die Umgebung jedoch sehr sehenswert. Nur eine Stunde fuhren wir mit dem Wohnmobil bis Salento, es kam uns aber so vor, als hätten wir eine Zeitreise in die Vergangenheit gemacht. Schöne alte Häuser, in denen sich Geschäfte, Restaurants und Hotels befinden, umgeben den zentralen Marktplatz. Mit ihren buntbemalten Eingangstüren und Balkonen sind sie typisch für diese Gegend. Auch in den Nebenstraßen stört kein Neubau das Gesamtbild dieser Kleinstadt und die über 50 Jahre alten, für den öffentlichen Verkehr unverzichtbaren, Willy-Jeeps passen genau hier her.

Östlich von Solento erstreckt sich das beeindruckende Valle de Cocora, welches uns mit seinen ausladenden grünen Tälern und bewaldeten Berggipfeln fast an die deutschen Mittelgebirge erinnerte, wären da nicht die bis zu 30 Meter hohen Wachspalmen gewesen. Diese Palmen sind die eigentliche Attraktion des Tales und viele Tagestouristen kommen nur deshalb in das kleine Dorf Cocora, welches lediglich aus ein paar Häusern und 3 Restaurants besteht. Am Restaurant „Bosque de Cocora“ fanden wir einen idyllischen Stellplatz für die Nacht und einen guten Ausgangspunkt für unsere Wanderung ins Tal.

Am nächsten Tag überwanden wir, auf abenteuerlichen Hängebrücken und auf quergelegten Baumstämmen, mehrmals den Rio Quindío und wanderten immer weiter hinein in das wildromantische Tal. Dann, an einer zusammengebrochenen Hängebrücke war Schluss, wir mussten umkehren. Abgekämpft und müde kamen wir erst spät abends zum Hobby zurück und hatten überhaupt keine Lust mehr selbst zu kochen. Stattdessen ließen wir uns die hervorragenden Lachsforellen, eine Spezialität aus dem Valle de Cocora, im Restaurant schmecken und gingen früh schlafen.

Am nächsten Tag stand noch Filandia, eine ähnlich schöne Stadt wie Salento, auf unserem Plan, bevor wir auf der Panamericana weiter südwärts fuhren.

07.02.2011 – Silvia - das Zentrum der Guambiano- Indigenas

Etwas abseits der Panamericana, hoch oben in den Bergen der Zentralkordilleren, liegt Silvia. Die Kleinstadt ist das Zentrum der Guambiano, einem der traditionellsten Indianervölker Kolumbiens. Die Indigenas leben in der Umgebung der Stadt und kommen immer dienstags zum Markttag nach Silvia, um Früchte, Gemüse und handwerkliche Arbeiten zu verkaufen und sich mit allen lebensnotwendigen Dingen einzudecken. Es ist der bunteste Indiomarkt in Kolumbien. Überall sahen wir die Indigenas, die mit Stolz ihre traditionellen Röcke, Blusen und die knapp sitzenden Hüte trugen. Auch die Männer kamen in Röcken daher, aus denen ihre stacheligen nackten Waden herausschauten. Einige machten auf dem Marktplatz ihre Geschäfte während ihre Frauen, in handgewebten Kleidern und mit Perlenketten geschmückt, handwerkliche Dinge herstellten.

Wir saßen am Marktplatz und konnten uns kaum satt sehen, an diesem Fest der Farben und der fremden Kultur. Alles wirkte auf uns wie ein Schauspiel – es war aber das reale Leben in Silvia. Zum realen Leben der Guambiano gehört, neben allen Traditionen, aber auch das allgegenwärtige Mobiltelefon oder ein Motorrad. Ganz so weit hinter dem Berg leben auch die Indigenas in Kolumbien nicht mehr.

10.02.2011 – Durch den gefährlichen Süden Kolumbiens

Auf unserer weiteren Fahrt nach Süden besuchten wir Popayan, eine der schönsten alten Städte Kolumbiens. 1537 gegründet, entwickelte sie sich, nicht zuletzt wegen des milden Klimas in 1800 Meter Höhe, zu einem wichtigen politischen, religiösen und kulturellen Zentrum. Im Jahre 1983 wurden die meisten historischen Gebäude bei einem Erdbeben ernsthaft beschädigt oder zerstört. Der detailgetreue und kostspielige Wiederaufbau dauerte 20 Jahre, das Ergebnis rechtfertigt aber diesen Aufwand. Die Altstadt mit ihren ausschließlich weißen Gebäuden ist heute ein Schmuckstück. In den Straßen pulsierte das Leben und dank des hohen Studentenanteils wirkte die Stadt jung und frisch.

Nach unserem Stadtspaziergang verliefen wir uns hoffnungslos in den vielen Gassen und fanden unseren Wohnmobilparkplatz nicht wieder. Die Gegend, abseits der Altstadt, wurde immer schäbiger, die Läden waren geöffnet, aber vergittert, so dass man nicht hineingehen konnte. Der Kauf wurde durch das Gitter abgewickelt. Zwei Männer, die uns als Touristen erkannt haben, sprachen uns an und warnten uns davor hier weiterzugehen. Eine eindeutige Geste ihres Zeigefingers am Hals und die beschwörenden Worte „Peligroso“ (Gefährlich) machten uns Angst. Unglücklicherweise hatten wir keine Adresse unseres Parkplatzes mit, so dass ein Taxi auch keine Lösung gewesen wäre. Wir gingen den ganzen Weg zur Altstadt zurück und erkannten unseren Fehler. Am symmetrisch aufgebauten Parque Caldas waren wir in die falsche Richtung gelaufen. Jetzt wurden uns die Straßen wieder vertraut und nach wenigen Minuten saßen wir im Hobby und ließen uns den leckeren Kuchen aus Popayan schmecken.

Südlich von Popayan wurde die Landschaft wild und ursprünglich. Tiefe Schluchten und kaum zugängliche Berge erschwerten die Besiedlung. Auf der Straße war kaum Verkehr. An einer Polizeikontrolle wurden wir rausgewinkt und aufgefordert, die Panamericana nicht zu verlassen. Die wenigen Dörfer abseits der Straße sind, wie auch das gesamte Gebiet, ein letztes Schlupfloch der Terrororganisation FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Columbia), die in den letzten Jahren für den schlechten Ruf Kolumbiens in der Welt gesorgt hat.

An einem Schwimmbad verbrachten wir die Nacht. Hier trafen wir Juan, einen 25-jährigen Soldat der kolumbianischen Armee. Auch er warnte uns vor der FARC und zeigte uns seine vernarbten Schussverletzungen. Dreimal wurde er schon im Kampf gegen die Terroristen verletzt.

Mit einem mulmigen Gefühl fuhren wir die letzten 250 Kilometer durch den nicht ganz ungefährlichen Süden Kolumbiens. In der Grenzstadt Ipiales blieben wir noch einen Tag. Wir besichtigten die in einer Schlucht liegende neogotische Wallfahrtskirche Santuario De Las Lajas und wurden dann in der Stadt von einem Reporterteam des kolumbianischen Fernsehens angehalten und interviewt. Gut, dass ich mein spanisch-englisches Gestammel nicht selbst sehen musste, der Reporter war aber begeistert und versprach, einen guten Bericht daraus zusammen zu schneiden.

Da in Ecuador ein anderes Gasanschlusssystem verwendet wird, versuchten wir noch in Kolumbien unsere fast leere Zweitflasche zu befüllen – aber wir hatten kein Glück. „No hay Gas“ (es gibt kein Gas) stand in großen Lettern an allen Abfüllstationen seit Popayan. In Ipiales gelang es uns dann doch, mit viel Überredungskunst und einigen Dollars, eine gefüllte Flasche aus dem „eisernen Bestand“ zu kaufen. Wir waren erleichtert und das ganze Team von Montangas hatte genug Zeit, um sich das Gassystem unseres Wohnmobils ganz ausführlich erklären zu lassen. Am nächsten Morgen verließen wir Kolumbien.

Zwei Monate haben wir in diesem schönen Land verbracht und ausschließlich gute Erfahrungen gemacht. Wir waren uns erst nicht sicher, ob wir um Kolumbien einen großen Bogen machen sollten und sind heute sehr froh, dass wir uns nicht von kritischen und sicher auch überzogenen Berichten beeinflussen ließen. Während in fast allen Ländern Lateinamerikas die Kriminalität steigt hat es Kolumbien geschafft, die Kriminalitätsrate drastisch zu senken. Die Sicherheit in den Städten und auf den Hauptstraßen ist durch eine hohe Polizei- und Armeepräsenz jederzeit gewährleistet.

Kolumbien ist ein sauberes, modernes und sehr schönes Land. Die Menschen sind herzlich und aufgeschlossen. Sie leiden unter dem schlechten Ruf, den Kolumbien im Ausland hat und freuen sich über jeden Tourist, der ihr Land besucht und es von seiner angenehmen Seite kennen lernt.

Dienstag, 15. März 2011

Die Nenana-Eiswette - knapp daneben getippt


Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch an die Nenana-Eiswette. Es ging darum, ganz genau vorherzusagen, wann auf dem Nenana-River das Eis bricht. Dafür wurde ein Dreibock auf das Eis gestellt, der über ein Seil mit einer Uhr verbunden war. Kippt der Dreibock, dann stoppt die Uhr. Ich bin schon etwas stolz, dass ich den 29.04.2010 richtig getippt hatte. Bei der genauen Uhrzeit lag ich leider knapp sieben Stunden daneben. Der Jackpot in Höhe von 279.030,00 US$ ging an drei Spieler aus Alaska.

Dienstag, 22. Februar 2011

Die 1001-Tage-Tour im Kolumbienforum


In Santa Marta, im Norden Kolumbiens, trafen wir Eugenia und Volker Winkelmann. Die zwei betreiben eine kleine Reiseagentur und wissen fast alles über Land und Leute in Kolumbien. Auf ihrer informativen Website www.Santa-Marta.de sowie im Kolumbienforum unter www.Kolumbienforum.net haben sie den unten stehenden kleinen Bericht über unsere Tour eingestellt.


Von Alaska nach Feuerland

Bernd und Petra Hiltmann beim Stop in Santa Marta


Die beiden haben sich so richtig was vorgenommen: In knapp drei Jahren durch Amerika - von oben nach unten!

Und in der letzten Woche haben Sie sich hier in Santa Marta umgesehen und Ruhe getankt, dafür ist Santa Marta ja perfekt geeignet. Auf dem Campingplatz in der Calle 21 in Rodadero haben wir die Beiden - falsch - die Drei getroffen. Retriever Basko ist fester Bestandteil der Expedition und hatte hier ganz schön mit der Wärme und den Zancudos zu kämpfen.

Bei einem kühlen "Club Colombia" kamen wir ins Gespräch: Ab Mai 2009 sind Sie mit ihrem Hobby Siesta 650 unterwegs. Zuerst durch Kanada nach Alaska zum Beginn der Panamericana. Und ab dort nur noch den Globus runter!

Als typisch fleißiger Deutscher schreibt Bernd ein Reisetagebuch, auf 1001 Tage Amerika kann man seine Erlebnisse nachlesen. Auch beim Reisemobilhersteller gibt es unter Abenteuer_Hobby/1001_Tage weitere Informationen.

Hauptgesprächsthema an diesem Abend war aber die abenteuerliche Reise von Team und Gefährt von Panama nach Cartagena. Nicht nur die Straße ist in Panama unterbrochen, auch das Team wurde getrennt. Und hat erst unter widrigen Umständen wieder zusammengefunden. Alles nachzulesen in den nächsten Berichten der Beiden.

Ab heute sind die Drei wieder unterwegs. Zuerst nach Bogota: Die "Catedral de Sal" in Zipaquira wollen Sie sich unbedingt antun. Danach wieder auf die Panamericana Richtung Ecuador.

Liebe Leser, eine Bitte: Wenn Ihr das Reisemobil mit dem Nummernschild "Alemania" irgendwo seht - geht hin und trinkt mit den beiden ein kühles "Club". Ihr werdet viele spannende Geschichten hören und die beiden sind auch sehr an den Besonderheiten der jeweiligen Region interessiert.

Alles Gute für die weitere Reise und viele lustige und interessante Erlebnisse. So schön warm wie bei uns hier werdet ihr es ab jetzt nicht wieder haben!

Sonntag, 30. Januar 2011

21.11.2010 – 27.12.2010: Von San José (Costa Rica) nach Cartagena (Kolumbien)


25.11.2010 – An der Karibikküste

Fast zeitgleich mit dem Abflug unserer Tochter kam der Regen zurück. Noch einen Tag verbrachten wir auf dem Campingplatz in Belén und erledigten einige Dinge im Haushalt, dann haben wir das regnerische zentrale Hochland schnell verlassen.

In Costa Rica wütete dieses Jahr, wie in fast allen zentralamerikanischen und einigen südamerikanischen Ländern, die schlimmste Regenzeit seit mehreren Jahrzehnten. Immer wieder kam es zu Straßensperrungen, weil die Fahrbahn von Erdmassen verschüttet oder eingebrochen war. Auch wir kamen an diesem Sonntag nicht sehr weit. Die einzige Verbindung zwischen San José und Puerto Limón war nicht passierbar. Noch vor der Mautstelle stauten sich die Fahrzeuge. Gut, dass wir unsere Wohnung immer dabei haben. Wir fuhren auf einen neben der Straße liegenden Parkplatz, um in Ruhe Kaffee zu trinken und die Situation zu beobachten. Als die Straßensperre bis zur Dunkelheit nicht aufgehoben wurde richteten wir uns für die Nacht ein.

Am nächsten Morgen waren wir eingekeilt zwischen Trucks, Lieferwagen und vielen PKW. Die Fahrer hatten die Nacht, so gut es ging, in ihren Autos verbracht und freuten sich über den Kaffee, den wir unseren unmittelbaren Nachbarn anboten. Für alle hätten unsere Vorräte nicht gereicht. Einige kamen mehrmals zu uns, um sich zu bedanken und dabei gleich noch mal einen Blick ins Innere des Hobby zu werfen. „Bonito, muy bonito“ hörten wir immer wieder. Dann war plötzlich Aufbruchstimmung. Die Fahrzeuge auf der Straße fuhren langsam an und auf dem Parkplatz rannten alle, nach einer flüchtigen Verabschiedung, zu ihren Autos, um schnell weiter zu kommen. Wir warteten noch eine halbe Stunde bis der Run vorüber war und konnten dann ohne viel Verkehr die Strecke bis Puerto Limón, der zweitgrössten Stadt Costa Ricas und dem wichtigsten wirtschaftlichen Zentrum an der Karibikküste, unter die Räder nehmen.

Die erst 1988 fertig gestellte Straße führte über die Cordillera Central und durch den Nationalpark Braulio Carillo in die karibische Küstenebene. Hier war nicht zu übersehen, was die Haupterwerbsquelle dieser Region ist. Auf großen Plätzen an der Straße standen tausende Kühlcontainer bereit, um mit den hier hervorragend gedeihenden Bananen gefüllt zu werden. Über den neuen Containerhafen in Moin werden sie dann in alle Welt exportiert. Der alte Hafen war seit dem schlimmen Erdbeben vom 22.04.1991 für große Handelsschiffe unzugänglich geworden, nachdem sich das vor der Küste liegende Korallenriff um 1,5 Meter gehoben hat.

Die Bewohner von Puerto Limón sind ein zusammen gewürfeltes Völkchen europäischer, asiatischer und afrikanischer Herkunft, die durch den Eisenbahnbau, Ende des 19. Jahrhunderts, hier Arbeit fanden. Von San José ignoriert, führten sie ein Leben abseits der restlichen Gesellschaft und erst 1948 erhielten sie alle staatsbürgerlichen Rechte. Ihre Nachfahren verrichten heute die schlechtbezahlte Knochenarbeit in den Bananenplantagen oder schlagen sich mit Gelegenheitsarbeit durch.

Diesen Umständen ist es geschuldet, dass Puerto Limón eine von Kriminalität, Prostition und hoher Arbeitslosigkeit geprägte schmutzige Hafenstadt ist, die kaum zum längeren Verweilen einlädt. Die überwiegend schwarzhäutigen Menschen blickten grimmig, bettelten uns an oder machten Gesten, die uns alles andere als Willkommen heißen sollten. Wir hatten bei der Fahrt durch die Stadt kein gutes Gefühl und waren froh, als wir die letzten ärmlichen Hütten am Stadtrand hinter uns gelassen hatten. An der Karibikküste fuhren wir weiter südwärts.

Kurz hinter Cahuita, einem der touristischen Hauptziele an der Karibikküste Costa Ricas, liegt, am Rande des Cahuita-Nationalparks, eine alte Kakaoplantage. Hier verbrachten wir einen ganzen Tag zwischen tropischer Vegetation, beobachteten Tiere, paddelten mit einem Kanu zum Meer und relaxten am Pool. Am Nachmittag trafen wir Wolle (Wolfgang), den deutschen Besitzer, der uns spontan in seine Lodge bei Puerto Viejo einlud. Hier konnten wir mit dem Wohnmobil unter Palmen stehen, hatten Wasser, Stromanschluss und vor allem eine riesige Büchersammlung zur Verfügung, wo wir unsere gelesenen Bücher gegen andere tauschen konnten.

Der karibische Strand, gleich hinter der Lodge, ist erst seit dem Erdbeben von 1991 in der heutigen Breite vorhanden. Hier hatte die Anhebung des Meeresbodens einen positiven Effekt und das gehobene Korallenriff hält hohe Wellen und Haie ab. Die ganze Küste ab Puerto Viejo südwärts wurde zum Naturschutzgebiet erklärt, mit strengen Bauauflagen und dem Verbot von Motorbooten in Küstennähe. So hat sich hier eine typisch karibische Küstenlandschaft erhalten, die uns täglich neu faszinierte.

Eine Woche gönnten wir uns dann noch auf dem naturnahen Campingplatz in Punta Uva, bis es Zeit wurde nach Panama weiterzufahren. Wir wollten noch rechtzeitig vor Weihnachten unser Wohnmobil nach Kolumbien verschiffen.


05.12.2010 – Die Inselwelt „Bocas del Toro“

Nur wenige Kilometer trennten uns noch von der Grenze zu Panama. Wir fuhren durch eine vom Bananenanbau geprägte Landschaft. Zu beiden Seiten der Straße erstreckten sich riesige Bananenplantagen, unterbrochen von kleinen primitiven Siedlungen der Bananenarbeiter und einigen Verpackungsstationen. Der Bananenanbau ist hier die einzige Erwerbsmöglichkeit, er schafft Arbeit und ein bescheidenes Einkommen – aber auch viele ökologische und gesundheitliche Probleme. Die Bananenpflanzen laugen den Boden derart aus, dass er nach 8 bis 10 Jahren nicht mehr nutzbar ist und mehrere Jahre brachliegen muss. So werden neue Flächen benötigt, die meist durch die Abholzung des Regenwaldes gewonnen werden. Um den Ertrag zu erhöhen werden Unmengen, das Grundwasser belastende, Kunstdünger verwendet. Noch kritischer ist der großflächige Einsatz von Pestiziden, die in Europa längst verboten sind. Eine erhöhte Säuglingssterblichkeit, viele Krebserkrankungen und die Unfruchtbarkeit von Frauen und Männern sind der Preis, den die Bananenarbeiter bezahlen – ihr Lohn dagegen beträgt gerade mal 10 – 14 US$ täglich. Ein Betrag, mit dem man in Costa Rica gerade so überleben kann.

Mit diesen letzten Eindrücken verließen wir Costa Rica und begaben uns auf die abenteuerliche Fahrt über die alte Eisenbahnbrücke, die den Grenzfluss Rio Sixaola überspannt. Die Brücke war voller Menschen, sie nutzten das Preisgefälle zwischen Costa Rica und Panama und kauften alle erdenklichen Dinge in Panama. Autos haben wir auf der Brücke nicht gesehen und so waren wir nicht sicher, ob die Brücke für unser Wohnmobil überhaupt freigegeben ist. Der Grenzbeamte in Costa Rica winkte uns mit einem ungeduldigen „Adelante, Adelante“ durch, und so fuhren wir langsam, mit einem etwas mulmigen Gefühl, weiter. Beidseitig von den alten Schienen waren lockere Holzbohlen aufgelegt, die teilweise so verrutscht waren, dass unser Vorderrad gut dazwischen gepasst hätte. Die Fußgänger mit ihren Großeinkäufen, selbst Matratzen und Autoreifen wurden rübergeschleppt, mussten sich an das wackelige Brückengeländer drücken, um uns vorbei zu lassen.

Am anderen Ende der Brücke waren die Einreiseformalitäten für Panama zu erledigen. Aus den Berichten anderer Globetrotter wussten wir, dass in den Einreisepapieren kein Fehler sein darf, um den Verschiffungsprozess in Panama nicht zu komplizieren. Nach Abschluss der Einreiseprozedur ging ich mit allen Papieren zum Wohnmobil und verglich gemeinsam mit Petra die Eintragungen. Wie sollte es anders sein, die Motornummer war falsch, eine Ziffer fehlte. Ich ging zurück und ließ das Einreisepermit und den Passeintrag ändern, aber jetzt wurde der zweite Fehler gemacht. Auf der alten Schreimaschine, die der Korrektur diente, hämmerte der Beamte, noch ehe ich reagieren konnte, statt einem S eine 5 in das Dokument. Er sah es aber locker, mit Tipp-Ex und einer handschriftlichen Korrektur wurde alles gerade gebogen. Nun wollte ich wenigstens noch einen Stempel auf den Eintrag haben, so dass man erkennen konnte, dass die Tipp-Ex-Korrektur vor dem Stempeln erfolgte. Aber auch das überforderte den Einreisebeamten und er drückte den Stempel beim ersten Mal irgendwo hin, nur nicht auf die korrigierte Stelle. Am Ende hatte ich einen Eintrag in meinem Pass, der bei Zoll und Polizei in Panama-City nur noch Kopfschütteln erzeugte.

Gleich hinter dem Grenzübergang befanden wir uns inmitten lärmender Händler, überfüllter Bars und drängelnder Schnäppchenjäger im Grenzort Guabito. Wir waren froh, diesen Ort schnell hinter uns zu lassen und fuhren in Richtung Almirante. Zumindest dachten wir das, bis wir uns total verfahren hatten. Kein Hinweisschild zeigte uns den Weg und für Panama fehlte uns die GPS-Karte. Nach einer Irrfahrt befanden wir uns dann endlich auf der richtigen Straße nach Almirante, die mit vielen Kurven durch einen dichten Küstenwald führte und keine Möglichkeit zum Parken und Übernachten bot. Glücklicherweise war die Straße in einem guten Zustand und so erreichten wir Almirante gegen 20:00 Uhr. Ein hilfsbereiter Passant zeigte uns den Weg zu einem Hotel, bei dem wir über Nacht stehen konnten - und verlangte dafür „A little tip please“, bitte ein kleines Trinkgeld. Wir hatten so etwas von Mexiko bis hierher noch nie erlebt und waren etwas überrascht. Es ist in Panama aber normal, dass für jede kleine Hilfeleistung ein Trinkgeld erwartet oder sogar verlangt wird - zumindest von uns Touristen.

Am nächsten Tag erkundeten wir die Inselwelt des Archipels Bocas del Toro, in der Bucht von Almirante gelegen. Von Almirante brachte uns ein Wassertaxi zur Provinzhauptstadt Bocas del Toro auf der Isla Colon. Der Ort hat karibisches Flair. Holzbauten mit Veranden und Balkonen säumen die Straßen und erinnern an die alte Südstaatenarchitektur der USA. Viele Häuser sind heute im Besitz von Ausländern, darunter viele Europäer, die sich mit Hotels, Bars oder Restaurants eine Existenz unter tropischer Sonne aufgebaut haben. In Bocas charterten wir ein Boot und fuhren hinein, in die Bahia de Almirante.

Kolumbus und seine Mannschaft waren die ersten Europäer, die diese Bucht entdeckten und sie ihm zu Ehren Bahia de Almirante, Bucht des Admirals, nannten. Noch heute wird Kolumbus hier sehr verehrt. In seinen Aufzeichnungen schrieb er: „… die Meeresbucht… besaß viele Inseln und Inselchen und drei oder vier Öffnungen, die es den Schiffen ermöglichten, hineinzutreten und ruhig weiterzusegeln. Zwischen diesen Inselchen fuhren die Schiffe wie auf einer Straße und die Segel und Seile berührten die Zweige der Bäume …“. Diese Beschreibung ging uns durch den Kopf, als unser kleines Boot zwischen den zumeist unbewohnten, mit Mangroven bewachsenen, Inseln hindurch fuhr. An einigen Inseln haben wir angelegt, an den von glasklarem Wasser umspülten Stränden gebadet und am Korallenriff geschnorchelt. Es war absolut beeindruckend, welche Farbenpracht unter Wasser entstanden ist. Wie ein blühender Steingarten, in dem jedoch die bunten Fische fehlen, die hier, ganz ohne Scheu um mich herum schwammen und die Idylle perfekt machten. Es war ein wunderschöner Ausflug und Basko war auch zufrieden, er durfte den ganzen Tag dabei sein.

Wir blieben noch eine Nacht in Almirante und fuhren am nächsten Morgen nach David, an der Pazifikseite, und von dort im Regen auf der Panamericana nach Panama City.

10.12.2010 – Organisation ist alles

In Panama City führte uns unser erster Weg zu Barwil-Shipping-Agencies. Der Parkplatz vor dem Businesscenter war leer und nach einer halben Stunde wussten wir auch warum. Es war Dia de La Madre – Muttertag in Panama. Es regnete wieder mal und wir hatten keine Lust noch mal wegzufahren. Auf dem großen Parkplatz verbrachten wir die Nacht, und am nächsten Morgen standen wir Punkt 08:00 Uhr im Büro von Barwil.

Evelyn Batista, aus vielen Reiseberichten bekannt, nahm sich sofort Zeit für uns und checkte die Möglichkeiten. Wir wollten unser Wohnmobil gern mit einem Ro-Ro-Schiff (Roll-on Roll-off) nach Kolumbien transportieren, aber das nächstmögliche Schiff wäre schon ausgebucht. Wir wissen bis heute nicht warum, aber Evelyn hat uns mit viel Überzeugungskraft zur Lo-Lo-Verschiffung (Lift-on Lift-off) geraten. Da wir noch vor Weihnachten alles erledigt haben wollten entschieden wir uns gezwungenermaßen für diese Option. Bei Lo-Lo wird das Wohnmobil auf eine 40“ Plattform (Flatrack) gefahren und auf dem Schiff als oberstes Ladegut transportiert.

Nach gut einer Stunde war die Verschiffung mit der Haneburg, planmäßige Abfahrt in Colon am 15.12.2010, gebucht, und wir hatten einen Laufzettel für die nächsten Erledigungen in der Hand. Die erste Anlaufstelle war die PTJ, die Policia Tecnica Judicial (N 08° 57,951’ W 79° 32,674’) in Panama City. Der kleine Parkplatz der technischen Polizeidienststelle sah etwas verwahrlost aus und grenzte direkt an die Slums von Curundú. Das Gebiet ist alles andere als sicher. Während der Fahrzeuginspektion, die ganz schnell und unkompliziert ablief und sich auf die Kontrolle der Fahrgestellnummer und des Kennzeichens beschränkte, hörten wir Schüsse. Der Beamte meinte, das wäre hier Normalität. Immer wieder gibt es in den Slums Bandenkriege und auch Morde.

Schnell verließen wir diesen Teil der Stadt. Unser Ziel waren die Miraflores-Schleusen des Panamakanals – aber der Kanalbetrieb lief erst so langsam wieder an. Der starke Regen der letzten Tage hatte dazu geführt, dass der Kanal das erste Mal in seiner fast 100-jährigen Geschichte gesperrt werden musste. Die Sicht war so eingeschränkt, dass die Schiffe nicht mehr sicher in die Schleusen einlaufen konnten. Auf der Rückfahrt sahen wir neben der Straße den Franzosenfriedhof mit tausenden kleinen Kreuzen für die Opfer des Kanalbaus. 75.000 Arbeiter waren am Kanalbau beteiligt und jeder dritte ließ sein Leben für dieses technische Mammutprojekt. Vor allem in der ersten Bauphase unter französischer Leitung starben 20.000 Arbeiter an Gelbfieber oder Malaria. Die Kosten für den Bau des Kanals betrugen für die USA, die den Kanal nach dem Scheitern des französischen Projektes übernommen hatten, 427 Millionen US $. Gut investiertes Geld, bedenkt man, dass die Schiffe heute bis zu 250.000 US $ für eine Kanaldurchfahrt bezahlen. Für die Reedereien ist es trotzdem die günstigste und schnellste Alternative, denn die 30.000 Kilometer lange Umschiffung von Kap Hoorn würde ein Vielfaches davon kosten, ganz abgesehen von der Zeitersparnis.

Beeindruckt von der menschlichen Bauleistung und der technischen Dimension des Kanals fuhren wir zurück nach Panama City, um unseren zweiten Termin im Secretaria General der Policia National, nahe der PTJ, wahrzunehmen. Hier wurde uns schriftlich bestätigt, dass die Angaben auf dem Einfuhrdokument unseres Wohnmobils korrekt sind, wir keine offenen Verkehrsstrafen haben und auch nicht von Interpol gesucht werden. Das war ja schon mal beruhigend.

Mit diesem wichtigen Papier sind wir wieder zu Barwil gefahren, haben die Fahrzeugverschiffung bezahlt und die Dokumente für die Fahrzeugabgabe in Colon erhalten. Die Bezahlung war nur in bar möglich. Wir hatten rechtzeitig begonnen Geld abzuheben, da wir pro Tag nur 500 US $ am Geldautomat bekamen. Mit zwei Kreditkarten ging es entsprechend schneller. Am nächsten Tag hat Evelyn noch unsere Flüge und das Hotel Bella Vista in Cartagena gebucht. Die Flugbuchung war nicht ganz problemlos, weil Mitte Dezember in Panama und Kolumbien die Haupturlaubszeit beginnt. Die Flüge waren weitestgehend ausgebucht und sehr teuer. Nur bei einer Gesellschaft war es möglich Basko in seiner Flugbox mitzunehmen. Es war ein Flug mit Zwischenlandung in Bogotá, wir waren uns aber sicher, dass der 4-stündige Flug incl. Aufenthalt in Bogotá für Basko zumutbar sei - ein großer Irrtum, wie sich später noch herausstellen wird.

Mittlerweile war es Freitagnachmittag und wir hatten fast alles beisammen. Fahrzeugabgabe in Colon am Montag, Flug am Dienstag und planmäßiges Auslaufen der Haneburg am Mittwoch - jetzt brauchten wir nur noch eine tierärztliche Untersuchung für Basko. Ein Tierarzt war schnell gefunden und die Untersuchung stellte auch kein Problem dar, da Baskos Dokumente vollständig und alle Impfungen ordentlich eingetragen waren. Das Problem lag in den Vorschriften des Staates Panama. Die Untersuchung musste von einer Regierungsdienststelle bestätigt werden - und das dauert normalerweise, incl. der Postlaufzeiten, 5 Arbeitstage. Viel zu lange für unseren Zeitplan. Was nun, gibt es keine andere Lösung? In Panama lässt sich vieles mit Geld regeln, und die junge Tierärztin hatte dann die Idee eine Agentur zu beauftragen, die das Dokument in einem Tag bestätigen lässt. Es funktionierte wirklich. Am Montagmittag wurde uns das gelbe, vom Gouvernement bestätigte Formular ins Hotel gebracht, und wir bezahlten für diese Dienstleistung 100 US $. Notlagen werden eben ausgenutzt. Das galt übrigens genau so für die Verschiffung.

Diese war nur notwendig, weil die Panamericana zwischen Panama und Kolumbien, auf einer Strecke von etwa 100 km, unterbrochen ist. Den Amerikanern war es ganz recht, dass es durch den Darien keine Straßenverbindung gab und sie setzten sich dafür ein, dass es auch so blieb. Man glaubte, so den ungehinderten Transport von Rauschgift zwischen Süd- und Zentralamerika zu unterbinden. Mittlerweile ist der fast unzugängliche Urwald des Darien das Rückzugsgebiet der Guerillas und ein wichtiger Drogenkorridor nach Panama. Der Bau der Panamericana durch den sogenannten Darien-Gap ist in weite Ferne gerückt. Es besteht nur die Möglichkeit, auf der Atlantik- oder der Pazifikseite, dieses Gebiet zu umschiffen. Da es keine Fähre gibt bleibt nur der Transport mit einem Frachtschiff, und die wenigen zuverlässigen Schifffahrtsgesellschaften verlangen unmoralische Preise. Für die knapp 200 Kilometer von Colon nach Cartagena haben wir fast genau soviel bezahlt, wie für die Verschiffung von Hamburg nach Halifax. Es sind die teuersten 200 Kilometer unserer Reise.

Die Tage bis zum Flug nach Kolumbien verbrachten wir im Hostal Amador (N 08° 56.960’ W 79° 33.332’), nahe der Altstadt von Panama City. Hier konnten wir mit dem Wohnmobil auf dem Grundstück stehen und nach der Fahrzeugabgabe im Hostal schlafen. Wir fühlten uns sehr wohl, das Personal war nett und sehr hilfsbereit. Neben der Vorbereitung unseres Wohnmobils für den Seetransport, unter anderen haben wir eine Sperrholz-Trennwand zwischen Fahrerkabine und Wohnraum eingebaut, hatten wir noch genügend Zeit die Stadt zu erkunden.

Panama City ist eine hochmoderne Weltstadt und ein internationales Bankenzentrum. Acht der zehn größten Hochhäuser Lateinamerikas stehen hier, die Shoppingcenter sind fast noch größer als in Nordamerika und der Altstadt wird gerade mit viel Liebe fürs Detail neues Leben eingehaucht. Eine rundum schöne Stadt, gäbe es nicht die verwahrlosten Slums, das Ghetto von Panama City, mitten in der Stadt. Nicht einmal tagsüber sollte man sich als Tourist in den Elendsvierteln El Chorrillo, Curundú und im Distrito San Miguelito aufhalten. Bei einer Fahrt mit dem Taxi sahen wir das ganze Ausmaß dieser trostlosen Gegend. Anders als in anderen Großstädten Mittelamerikas wohnen die Menschen hier nicht in Hütten am Stadtrand, sondern in baufälligen Hochhäusern mitten in der Stadt. Das Abwasser lief die Wände runter und es strotzte vor Schmutz und Verfall. Wer hier lebt hat sicher kaum eine Chance, aus diesem Milieu rauszukommen. Gewalt, Kriminalität und Drogenkonsum bestimmen das Leben in den Slums und selbst die Polizei patrouilliert nur am Rande dieser Gebiete. Für uns war dieser Kontrast zwischen verschwenderischem Reichtum und bitterer Armut auf engsten Raum sehr bedrückend und wir fragten uns, ob für diese Menschen wirklich keine Perspektive geschaffen werden kann.

13.12.2010 – Abschied in Colon

Am Montagmorgen war ich schon gegen 07:00 Uhr auf dem Weg von Panama City (Pazifik) nach Colon (Atlantik). Petra blieb mit Basko im Hostal. Die Fahrt verlief recht unproblematisch, obwohl auch diese Straße unter den Regenfällen der letzten Tage und Wochen stark gelitten hatte. Ganze Abschnitte waren weggespült und nur provisorisch wieder hergerichtet. Mein erster Anlaufpunkt in Colon war das Büro von Wilhelmsen Ships Service (N 09° 21.903’ W 79° 52.844’) im Ortsteil Manzanillo. Hier bekam ich das Bill of Loading (BOL) und weitere Frachtpapiere mit den notwendigen Kopien. Mit diesen Papieren fuhr ich zum Zoll (N 09° 20.771’ W 79° 52.700’), wo das Auto aus meinem Pass gelöscht wurde, so dass unser Hobby und ich das Land auf getrennten Wegen verlassen konnten. Dann noch die Fahrt zum Hafen Cristóbal (N 09° 21.129’ W 79° 54.177’).

Leider hatte ich noch keine GPS-Daten und mit der groben Karte der Agentur hab ich mich verfahren. Ich verpasste den Abzweig an einer Straßengabelung und kam immer weiter hinein, in die kritischen Stadtviertel von Colon. Die Slums von Panama City sind schon bedrückend, aber in Colon ist alles noch hoffnungsloser. Die ganze Stadt ist vom Verfall bedroht. Sie ist ein großes Ghetto aus kaum bewohnbaren, morschen Holzhäusern. Jugendliche lungerten in Gruppen auf den Straßen herum und blickten mich feindselig an. In ihren Augen sah ich Hoffnungslosigkeit, aber auch eine gewisse Arroganz mir gegenüber. Ich passte mit meinem modernen Wohnmobil einfach nicht hierher. Dann machte ich noch den Fehler und bog, weil es keinerlei Hinweisschilder gab, in falscher Richtung in eine Einbahnstraße ein. Wie komme ich hier bloß wieder raus? Ein freundlicher älterer Mann zeigte mir die Richtung zum Hafen. An der nächsten Ecke stand wieder eine jugendliche Bande, sie versperrten mir den Weg. Langsam fuhr ich weiter – bloß jetzt hier nicht anhalten. Da hörte ich von hinten einen Schlag am Wohnmobil. Erst am Hafen sah ich die Ursache, die Jungs haben Steine auf das Wohnmobil geschossen und einer hatte die Rückwand getroffen. Ich war verärgert, aber auch froh, dass es nicht schlimmer gekommen ist.

Die Abgabe des Wohnmobils im Hafen lief dann recht professionell ab. Es wurde alles begutachtet und jedes Detail, vom kleinsten Kratzer bis zum fehlenden Zigarettenanzünder, in ein Protokoll aufgenommen. Nach zwei weiteren Fahrzeuginspektionen hatte man dann wohl genügend verschiedene Protokolle mit dem gleichen Inhalt ausgefüllt. Ich wurde von Fensterchen zu Fensterchen geschickt, und jede der netten Damen verpasste meinen Frachtpapieren einen anderen Stempel. Ich hatte es dann aufgegeben, den Sinn dieses bürokratischen Prozesses verstehen zu wollen. Und dann hieß es Abschied nehmen von unserem rollenden Zuhause. Ich musste ihn in einer Halle auf dem Hafengelände abstellen und konnte somit die Verladung auf die Plattform leider nicht selbst überwachen. Unser Schiff, die Haneburg, sollte erst am Freitag, mit zwei Tagen Verspätung, von Colon auslaufen. Ich konnte nur hoffen, dass beim Rangieren und beim Verzurren des Wohnmobils auf der Plattform kein Schaden angerichtet wird. Direkt vor der Hafeneinfahrt fuhr der Expressbus nach Panama-City ab und nach 2 Stunden war ich wieder bei Petra und Basko im Hostal.


14.12.2010 – Flug mit Hindernissen

Da der Taxifahrer und auch wir eine zusätzliche halbe Stunde Sicherheit aufgeschlagen hatten standen wir überpünktlich am internationalen Flughafen Panama City. Basko lag ganz ruhig in seiner Flugbox und betrachtete das hektische Treiben um sich herum mit Gelassenheit. Seine Beruhigungstabletten begannen langsam zu wirken.

Beim Check-in dann die erste Überraschung. „Sie haben kein Weiterreiseticket, dann können wir sie nicht befördern“ war die lakonische Aussage des etwas arrogant wirkenden Mitarbeiters der Fluggesellschaft. „Sie können gern bei uns ein Weiterreiserticket buchen“. Das war das Letzte, was wir wollten. Die Supervisorin des Check-in war wesentlich angenehmer im Umgang. Wir erläuterten ihr, dass wir mit unserem Wohnmobil aus Kolumbien ausreisen werden, zeigten ihr die Frachtpapiere für die Verschiffung und berichteten kurz über unsere Reise von Alaska bis nach Feuerland. Recht schnell hatte die junge Frau ihre Entscheidung getroffen und ihren Mitarbeiter angewiesen uns einzuchecken. Basko kam mit seiner Box auf das Gepäckband und ehe wir uns versahen war er über die Rutsche, zwischen den anderen Gepäckstücken, verschwunden.

Über die 30 Minuten Verspätung in Panama und weitere 3 Stunden in Bogotá haben wir hinweggesehen. Es blieb nur die Sorge, ob Baskos Beruhigungstabletten noch wirken. Endlich waren wir in Cartagena gelandet, standen am Gepäckband und warteten auf unseren Basko und unser Gepäck. Die Transportarbeiter schüttelten auf unsere Frage nach Basko immer nur den Kopf. Ein Hund wäre nicht an Bord gewesen. Wir warteten geduldig, bis auch das letzte Gepäckstück auf dem Band lag. Mehrere Koffer kamen immer wieder vorbei, offensichtlich waren sie im falschen Flugzeug, dafür hatten mindestens fünf Reisende kein Gepäck – und wir gehörten dazu. Basko und auch unsere Reisetasche waren unauffindbar. Für die Fluggesellschaft erschöpfte sich der Service im Ausfüllen eines Verlustprotokolls, ich erwartete aber konkrete Informationen und verlangte von dem Mitarbeiter nachzuforschen, wo unser Basko vergessen wurde. Nach einigen Anrufen kam er mit der Information zurück, dass Basko noch in Bogotá steht und am nächsten Morgen mit der ersten Maschine nach Cartagena kommt und zu uns ins Hotel gebracht wird.

Es war eine schlaflose Nacht und wir haben mit unserem Basko gelitten, der in Bogotá auf irgendeinem Gepäckwagen einsam die kalte Nacht verbringen musste. Am nächsten Morgen riefen wir fast stündlich beim Flughafen an. Der Sohn der Restaurantbetreiberin sprach etwas Deutsch und half uns bei den Anrufen. Wir fühlten uns an der Nase herumgeführt, denn bei jedem Anruf bekamen wir eine andere Ausrede zu hören. Dann, nach 12:00 Uhr, war Basko in Cartagena angekommen und wir hatten wieder die Zusicherung, dass er in spätestens einer Stunde ins Hotel gebracht wird. Gegen 02:00 Uhr riss uns der Geduldsfaden.

Wir fuhren zum Flughafen, stürmten, vorbei an den Sicherheitsbeamten, die uns vergeblich aufzuhalten versuchten, in die Gepäckabfertigung und machten dort unserem Ärger richtig Luft. Das uns niemand verstand, weil wir auf Deutsch geschimpft haben, war nebensächlich. Die Angestellten und vor allem der Chef des Reklamationsbüros, der uns den halben Tag verschaukelt hatte, waren erschrocken und sichtlich eingeschüchtert. Unser Basko wurde gebracht, doch er freute sich nur verhalten über das Wiedersehen mit uns. Er hatte sicher nicht verstanden, warum wir ihn fast 24 Stunden in der Box eingesperrt haben und verschwunden waren. Wir denken auch, dass er in dieser Zeit weder mit Futter noch mit Wasser versorgt wurde. Petra war überglücklich, ich aber immer noch verärgert. Als kleine Genugtuung habe ich den vollen Flugpreis für Basko zurückgefordert und auf Grund meiner Hartnäckigkeit auch erhalten. Zwischenzeitlich hatte sich unser Basko auch wieder von den Strapazen erholt. Er war gesund und aufgeweckt wie immer.

Das war ja noch mal gut gegangen. Aber was werden wir im Hafen von Cartagena erleben?

23.12.2010 – Wir sind wieder komplett

Um es vorweg zu nehmen, es gab mit der Abholung unseres Wohnmobils aus dem Hafen von Cartagena keine Probleme, sieht man mal von dem Umstand ab, dass das Schiff erst am Mittwoch den 22.12.2010, also mit fast einer Woche Verspätung, in Cartagena ankam. In Panama hatten wir von der Agentur eine Checkliste zur Fahrzeugabholung erhalten. 11 Punkte waren abzuarbeiten, viele verschiedene Dienststellen zu kontaktieren und die Einfuhr des Wohnmobils beim Zoll zu organisieren. Wir haben uns diesmal für den Easy Way, den leichten Weg, entschieden und Manfred Alwardt beauftragt. Manfred ist ein Deutscher, der seit 25 Jahren in Cartagena lebt und eine Agentur betreibt. Und Manfred ist ein Original, etwas gewöhnungsbedürftig, aber ein absolutes Schlitzohr. Er kennt alle Tricks und Kniffe. Nach knapp 5 Stunden hatten wir das Wohnmobil aus dem Hafen raus und in Kolumbien regulär eingeführt. Wir trafen andere Reisende, die für den gleichen Vorgang 2 Tage und mehr benötigten. Dabei haben wir auch noch mächtig an den Hafengebühren gespart. Also, Manfred war sein Geld unbedingt wert.

Am Nachmittag des 23.12.2010, ein Tag vor Weihnachten, waren wir wieder komplett. Wir räumten unser Hotelzimmer und schliefen die erste Nacht wieder im eigenen Bett - was für ein Genuss. Jetzt hatten wir auch die innere Ruhe, uns auf das bevorstehende Weihnachtsfest zu besinnen. Die gelungene Überfahrt nach Südamerika war in diesem Jahr unser gemeinsames Weihnachtsgeschenk.

Den Weihnachtsabend verbrachten wir auf Einladung der Besitzerin im Hotel Bella Vista. Wie in Kolumbien üblich, feierte man das Weihnachtsfest mit Familie und Freunden. Gegen 22:00 Uhr wurde das Weihnachtsmenü serviert. Geflügel, Schweine- und Rindfleisch, Hackbraten, verschiedene Salate und Beilagen kamen auf den Tisch, ein Dessert rundete das Festessen ab und dann erklangen lateinamerikanische Rhythmen. Erst um Mitternacht wünschten sich alle Feliz Navidad – Frohe Weihnachten und tauschten kleine Geschenke aus. Auch für uns war, völlig unerwartet, eine kleine Aufmerksamkeit dabei.

Die nächsten Tage nutzten wir, um unseren Hobby wieder reisefertig zu machen und die märchenhaft schöne Kolonialstadt Cartagena zu erkunden. Manche meinen, es sei die schönste Stadt Südamerikas, das Highlight von Kolumbien ist sie aber ganz sicher. Von einer dicken Festungsmauer umgeben, die nach den Überfall der Piraten um Francis Drake gebaut wurde, wirkt die Altstadt wie vor 300 Jahren. Bunte Häuserfassaden, gedrechselte Balkongeländer, Eingangsportale aus massivem Holz mit schmiedeeisernen Beschlägen – an jeder Ecke der Altstadt gab es Interessantes zu besichtigen. Die Kirchen sahen aus, als wären sie mit Zuckerguss dekoriert. In den engen kopfsteingepflasterten Straßen schoben Obstverkäufer ihre Karren zum nächsten Kunden und unzählige fliegende Händler bevölkerten die Altstadt. Sie boten alles Mögliche an, Fruchtsaft, Zuckerwatte, Chips und vor allem Tinto, den starken schwarzen Kaffee. Wir haben uns in Cartagena verliebt und verließen die Stadt nur ungern, aber Kolumbien bietet noch so viel Sehenswertes und unser Visum ist nur 60 Tage gültig.

Donnerstag, 27. Januar 2011

Hier unser neuester Bericht im Reisemagazin "Hobby heute"

Wer den Bericht im Original lesen möchte, der kann das tolle Reisemagazin "Hobby heute" auf der Hobby-Website als Probeexemplar bestellen (Überschrift ist verlinkt) und dann mit dem Coupon im Heft kostenlos abonnieren.

Dienstag, 4. Januar 2011

05.11.2010 – 20.11.2010: Mit Katharina durch Costa Rica


06.11.2010 – Regen, Kaffee und ein unsichtbarer Vulkan

Auf unserer Fahrt nach San José schüttete es wie aus Eimern. Felder und Wiesen, aber auch viele Ortschaften standen unter Wasser und die Straße war an mehreren Stellen durch Erdrutsche verschüttet. Mit schwerer Technik wurde wenigstens eine Fahrspur frei geschoben, so dass der Verkehr wieder rollen konnte.

Mit reichlich Verspätung kamen wir erst am Nachmittag auf dem, in Flughafennähe liegenden Campingplatz in Belén an – aber auch hier stand alles unter Wasser. Auf dem großen Parkplatz eines Flughafenhotels fanden wir dann den richtigen Platz für die erste Nacht mit unserer Tochter. Kurz danach kam die SMS von Katharina, sie war pünktlich in San José gelandet. Nach wenigen Minuten waren wir am Aeroporto und freuten uns auf das Wiedersehen. Basko spürte auch, dass etwas Außergewöhnliches bevorstand. Er war ganz aufgeregt, und als Kathi dann durch das Gate kam war er nicht mehr zu halten. Ehe wir es verhindern konnten sprang er aus dem Wohnmobil, rannte zu unserer Tochter und begrüßte sie auf seine Weise. Er sprang sie immer wieder an und gab eigenartige Laute der Freude von sich. Die anderen Reisenden amüsierten sich über dieses Schauspiel und Basko war der Hauptdarsteller. Wir waren mindestens genau so glücklich wie Basko und freuten uns auf die gemeinsamen Tage.

Der erste gemeinsame Abend ist immer etwas Besonderes. Kathi hatte wieder einige Delikatessen, ein wichtiges Ersatzteil für unsere Luftfederung und die bestellten Straßenkarten und Reiseführer für Südamerika mitgebracht. Als alles gesichtet war wurde noch erzählt, bis Kathi ihre Augen nicht mehr offenhalten konnte. Am nächsten Morgen waren wir schon zeitig auf den Beinen, die Sonne hatte uns geweckt und versprach einen schönen Tag. Kathi hatte keine Probleme mit der Zeitumstellung und konnte den Start zu unserer Rundreise kaum erwarten. Der erste Weg führte uns zu einem großen Supermarkt in Alajuela, wo wir uns für die nächsten Tage mit Lebensmitteln eindeckten. So ein gemeinsamer Einkauf ist immer ein interessanter Einstieg in ein fremdes Land. Das Warenangebot ließ kaum Wünsche offen, und besonders in der Obst- und Gemüseabteilung gab es immer wieder etwas Neues zu entdecken.

Nach dem ersten gemeinsamen Frühstück starteten wir zum Vulkan Poás. Die kurvige Straße führte durch ausgedehnte Kaffeeplantagen immer bergauf. Kaffee gedeiht auf den vulkanischen Böden und bei dem hier vorherrschenden Klima besonders gut. Er ist das wichtigste Exportprodukt der Region. Eine Kaffeeplantage lud zur Besichtigungstour ein, und so unterbrachen wir die Fahrt und erfuhren viel über den Kaffeeanbau.

Der Kaffeestrauch ist ein sehr sensibles Pflänzchen, welches ein ausgeglichenes Klima ohne Temperaturextreme benötigt. Die hier angebaute Sorte Arabica gedeiht am Besten in Höhen zwischen 600 und 1200 Metern, bei Temperaturen zwischen 18 und 25 Grad Celsius. Die Niederschlagsmenge ist ebenso wichtig wie die richtige Bodenbeschaffenheit. Nach einer Reifezeit von 6 - 8 Monaten beginnt im September die Kaffeeernte. Von jedem Strauch werden nur die roten Früchte gepflückt und dieser Vorgang wird mehrmals wiederholt. Die Ernte dauert bis zu 12 Wochen. Diese eintönige und schlecht bezahlte Arbeit wird zu 95 % von Pflückern aus Nicaragua und Panama erledigt. Nach dem maschinellen Schälen und Trocknen der Kaffeebohnen werden diese vorrangig nach Nordamerika und Europa verkauft und erst vor Ort geröstet. Der beste Kaffee wird exportiert, nur der minderwertige bleibt in Costa Rica. Eine traurige Tatsache für ein traditionelles Kaffeeanbauland.

Nach einer ausgiebigen Kaffeeverkostung aller Qualitätsstufen und Geschmacksrichtungen versuchten wir noch unser Glück beim Vulkan Poás, leider ohne Erfolg. Der Nationalpark war seit 16:00 Uhr geschlossen und es bestand auch keine Parkmöglichkeit für die Nacht. Wenige Kilometer talwärts lag das Restaurant Mirador. Nach dem Abendessen fragten wir den Besitzer, ob wir vor dem Restaurant die Nacht verbringen dürften. Er hatte eine bessere Idee und lud uns ein, im Garten seines Hauses zu übernachten. Trotz der windgeschützten Lage im Dorf zerrte und rüttelte ein aufkommender Sturm die ganze Nacht am Mobil und der Regen peitschte von allen Seiten. Am Morgen hatte sich der Sturm etwas beruhigt, einige Sonnenstrahlen bestärkten uns in der Hoffnung auf gute Sichtverhältnisse.

Noch vor der Öffnung des Nationalparks standen wir am Kassenhäuschen und waren dann recht enttäuscht, als der Parkrancher uns mitteilte, dass der Vulkankrater völlig wolkenverhangen sei. Wir hatten noch die Hoffnung, dass sich die Wolken auflösen, aber nach einer dreistündigen Wanderung im Nationalpark haben wir, nass und durchgefroren, aufgegeben. Der berühmte Krater des Vulkan Poás blieb für uns im Nebel verborgen und unsichtbar.

08.11.2010 – Vulkan und See Arenal

Den Nachmittag des trüben und regnerischen Tages nutzten wir, um nach La Fortuna und zum nahegelegenen Vulkan Arenal zu fahren. Nach der steilen Abfahrt vom Poás fuhren wir auf der nach Norden führenden Straße 9 bis San Miguel, wobei der Begriff Straße eine sehr positive Übertreibung ist. Die ersten 25 Kilometer bis zum Abzweig waren eine übelste Erdpiste – schmierig, schlammig und häufig von Wasser überspült. Wir sahen mit Sorge, dass uns nur allradgetriebene Fahrzeuge entgegen kamen und hofften, dass sich der Zustand der Piste nicht weiter verschlechtert und wir nicht stecken bleiben. Da die Piste leicht bergab verlief war ein Umkehren auch keine wirkliche Alternative. In San Miguel fiel uns ein Stein vom Herzen, ab hier war die Straße geteert und wir schafften es noch vor Einbruch der Dunkelheit bis nach La Fortuna.

Wenige Kilometer hinter dem Ort, am Fuße des Vulkans Arenal, fanden wir neben der Touristinformation einen schönen Stellplatz und richteten uns für die Nacht ein. Der Vulkan Arenal ist heute der aktivste Vulkan des Landes, obwohl man bis zu seiner Erstbesteigung im Jahre 1937 noch nicht einmal an einen vulkanischen Ursprung des damals völlig überwachsenen Berges glaubte. Am 29. Juli 1968 brach der Arenal mit einer gewaltigen Explosion aus und ist seitdem daueraktiv. Mit kurzen Ruhepausen wirft er immer wieder glühende Gesteinsbrocken und Lava aus, die an den Hängen des Vulkans zum Tal fließt und erkaltet. An manchen Tagen ist dieses Schauspiel mehrmals zu beobachten. Wir glaubten jedoch nicht daran, dass wir einen Ausbruch zu sehen bekommen. In der Nacht hörten wir dann das Grollen und Rumpeln des Vulkans. Sofort waren wir hellwach, sprangen aus den Betten, brachten die Kamera mit Stativ in Position und – sahen wieder einmal nichts. Der Vulkan lag hinter einer dicken Wolkendecke versteckt, nur ein leichter rötlicher Schein drang durch die Wolken, oder hatten wir uns getäuscht. Wir warteten noch einige Zeit und legten uns dann etwas enttäuscht wieder schlafen. Am nächsten Tag wurde uns der nächtliche Ausbruch von der Touristinformation bestätigt.

Das morgendliche Bad im heißen Flußwasser des Rio Arenal brachte uns nicht die Erfrischung, die wir uns bei fast 30 Grad Celsius Lufttemperatur gewünscht hätten. Angenehm war es trotzdem, in dem, mit Flußsteinen angestauten Wasserbecken zu liegen und die beruhigende Wirkung des warmen Wassers zu spüren. Auf der schön gelegenen Uferstraße rollten wir dann gegen Mittag nach Nuevo Arenal. Die Straße führte an herrlichen Lodges und gepflegten Hotels vorbei. So mancher Auswanderer hat sich hier sein kleines Paradies geschaffen. Am eindrucksvollsten ist das Hotel Los Héroes, mit dem ein Stückchen Schweiz an den Arenalsee gebracht wurde. Hotel und Restaurant sind typische schweizerische Berghütten, und weder die Bergkühe noch eine originelle Bergbahn fehlen.

In Nuevo Arenal angekommen verbrachten wir zwei ruhige Tage auf dem uns schon bekannten Platz, direkt am Seeufer. Am Morgen wurden wir von Brüllaffen geweckt und hatten das Glück, eine ganze Affenherde in den Bäumen am See beobachten zu können. Auch zwei Faultiere, ein Tukan und viele Nasenbären kamen uns vor die Linse. Die Arenalregion ist für uns die schönste Gegend in ganz Costa Rica.

11.11.2010 – Auf der Halbinsel Nicoya

Unsere Fahrt an die Pazifikküste führte uns um das nördliche Ufer des Arenalsees herum nach Cañas und weiter auf der Panamericana nach Liberia. Von hier war es nicht mehr weit bis zur Halbinsel Nicoya und ihren Pazifikstränden. Ganz im Norden der Halbinsel liegt Playa Panama, ein kleiner Ort mit einem ruhigen, aber wenig attraktiven Strand. Was wir hier noch als Einzelfall betrachteten begegnete uns, bis auf wenige Ausnahmen, an der ganzen Küste der Halbinsel: ungepflegte, mit Treibholz und Müll verunreinigte Strände und schmutziges Wasser. Viele Flüsse und Bäche ergießen eine schäumende Brühe ins Meer, so dass wir auf das Schwimmen im Pazifik an den meisten Stränden verzichtet haben.

Selbst am Playa Grande, einem der wichtigsten Eiablageorte der Lederschildkröten am Pazifik, ist ihnen der Weg zum Strand durch Berge von Treibholz versperrt. Bis zu 180 Weibchen dieser weltweit größten Schildkrötenart wurden schon gleichzeitig bei der Eiablage an diesem Strand beobachtet. 1991 wurde Playa Grande zum Meeresnationalpark Las Baulas erklärt. Seitdem darf man nachts nur mit Führer zur Beobachtung an den Strand. Mit 25 US $ ist dies kein ganz billiges Vergnügen, und dann war die Enttäuschung für die meisten Besucher groß. Eine einzige Lederschildkröte kam an Land, quälte sich über die Treibholzbarriere und vergrub ihre Eier im weichen Sand. Mehrere Touristengruppen wurden für einen kurzen Moment in die Nähe der Schildkröte geführt, um dann schnell der nächsten Gruppe Platz zu machen. Wir hatten den Eindruck, dass es hier weniger um Tierschutz als vielmehr um Kommerz ging. Einen ähnlichen Eindruck hatten wir auch in anderen Nationalparks und -reservaten. Für die nächtliche Tour am Schildkrötenstrand hätten wir genau so viel bezahlt, wie für einen Nationalpark-Jahrespass in den USA für bis zu 5 Personen. Wir waren froh, dass wir uns vorab bei anderen Touristen informiert und uns gegen die Beobachtung entschieden hatten. Viele Meeresbiologen warnen auch vor diesen Touren und raten, die Tiere bei ihrer Eiablage überhaupt nicht zu stören.

Weiter ging es nach Playa Samara, einem weiteren touristischen Zentrum an der Westküste, aber auch hier waren der Strand und das Wasser verschmutzt, der Ort wirkte etwas heruntergekommen und wenig einladend. Beim Abendspaziergang entdeckten wir eine Autovermietung und reservierten uns für den nächsten Tag einen kleinen Off-Roader. Der Südwesten der Insel ist noch ursprünglich, zum Teil sehr arm und ohne richtige Straßen – es gibt nur Pisten mit viel Schlamm. Hier fühlte sich unser Suzuki richtig wohl. Auch bei den Wasserdurchfahrten kleiner Flüsse machte er eine gute Figur. Am Rio Ario war dann aber doch Endstation für uns. Hier hatten wir keine Chance, selbst Pferde standen bis zum Bauch im Wasser. Wir kehrten um und fuhren auf einer trockenen Piste zurück. Es war ein toller Ausflug, nur Petra beschwerte sich über die harte Federung des kleinen Suzuki. Man kann eben nicht alles haben.

14.11.2010 – Monteverde und der Cerro de la Muerte

Über die große Brücke bei Puerto Moreno fuhren wir zurück aufs Festland und dann auf der Panamericana südwärts bis Rancho Grande. Hier zweigt die Straße zum Nebelwaldreservat Monteverde ab. Kurz nach dem Abzweig haben wir zwei Backpacker aufgelesen, die mit ihren großen Kraxen an der Straße standen. Wer nun denkt, diese Art des Reisens wäre nur jungen Leuten vorbehalten, der irrt sich sehr. Die zwei Belgier waren zusammen 141 Jahre alt (66 und 75). Jedes Jahr bereisen sie auf diese Weise eine andere Gegend und diesmal war es Zentralamerika. Das interessante Gespräch mit den zwei Herren verkürzte uns die lange Fahrt über die steile Gravelroad zum Naturreservat. Diese Piste war noch recht gut zu bewältigen, obwohl auch hier mehrere Fahrzeuge mit Reifenschäden ausfielen. Eine deutsche Reisegruppe wartete auf einen Ersatzbus, nachdem zwei Reifen innerhalb von 5 Minuten geplatzt waren. Viele andere Zufahrten zu Nationalparks und anderen Natursehenswürdigkeiten sind nur mit Allradfahrzeugen zu bewältigen und damit für unseren Ford Transit unerreichbar.

Am nächsten Tag standen wir Punkt 08:00 Uhr am Eingang, weil jeden Tag nur eine begrenzte Anzahl Tickets verkauft werden. Das Privatreservat Monteverde ist das bekannteste und meistbesuchte Costa Ricas – aber an diesem Morgen war wenig Andrang. Wir hatten den Park fast für uns allein. Das Nebelwaldreservat liegt genau auf der kontinentalen Wasserscheide, es wird klimatisch von der atlantischen wie auch von der pazifischen Seite beeinflusst. Drastische Klimaumschwünge sind hier keine Seltenheit und die hohe Niederschlagsmenge und Luftfeuchtigkeit begünstigen eine einmalige Flora, die von Orchideen und Bromelien bis zu verschiedenen Kletterpflanzen, Farnen und Moosen reicht. Kaum ein Baum, der nicht komplett bemoost und bewachsen ist.

Auf einem gut ausgeschilderten Weg haben wir das Naturreservat erwandert, haben Flüsse und Wasserfälle überquert und sind auf einer Hängebrücke durch die Baumwipfel gelaufen. Leider sahen wir von den vielen hier ansässigen Vögeln, Säugetieren und Reptilien kaum etwas. Die meisten Tiere haben wir in Costa Rica außerhalb von Nationalparks und Naturreservaten beobachtet. Trotzdem war Monteverde ein großartiges Erlebnis.

Über Puntarenas fuhren wir zur Küstenstraße 34 und dann immer nach Süden. Die Pazifikküste war hier etwas sauberer. Wir verbrachten noch 2 Tage in Playa Herradura, bevor wir bei Dominical die Pazifikküste verließen und auf die steile kurvenreiche Straße nach San Isidro abbogen.

In San Isidro de El General, wie der Ort richtig heißt, trafen wir wieder auf die Panamericana, die auf dem Teilstück bis Cartago mit 3300 Metern ihren höchsten Punkt erreicht. Neben der Straße liegt der Cerro de la Muerte, der Gipfel des Todes. Die Bezeichnung stammt noch aus der Zeit, als man den Pass mit Ochsenkarren überquerte und viele Menschen hier oben erfroren oder an Erschöpfung starben. Auch heute kommt es im dichten Nebel häufig zu schweren Unfällen, so dass der Name immer noch seine Berechtigung hat.

Vom Gipfel bot sich uns ein phantastischer Ausblick. Die Berggipfel der Cordillera de Talamanca wurden von einer lockeren Wolkendecke umspielt, im Nordosten spuckte der aktive Vulkan Turrialba dicke Rauchwolken und im Westen erkannten wir hinter einem Dunstschleier den Pazifik. Nur noch einen kurzen Moment konnten wir dieses Panorama genießen, dann kam Wind auf und alles versank in dichten Wolken.

18.11.2010 – Vulkan Irazú und Abschied

Vom höchsten Punkt der Panamericana ging es 2000 Höhenmeter bergab bis nach Cartago, der kleinen Stadt am Fuße des Vulkans Irazú. Cartagos Hauptsehenswürdigkeit ist die Basilica de Nuestra Señora de Los Angeles. Sie wurde 1926 erbaut und ist die bedeutendste Pilgerstätte des Landes. Aus dem ganzen Land, aus Panama und Nicaragua kommen die Pilger, die dann demütig auf den Knien rutschend die ganze Kirche und teilweise auch den Kirchenvorplatz durchqueren, um zum Altar mit der kleinen Statue der dunkelhäutigen Jungfrau zu gelangen.

Es war interessant, zu beobachten, wie nicht nur alte Menschen, sondern auch Teenager durch die ganze Kirche rutschten, am Altar dann aufstanden, ihre Ohrhörer des MP3-Players ansteckten und umschlungen mit ihren Partner die Kirche verließen.

Gleich hinter Cartago beginnt die Auffahrt zum Vulkan. Es ging wieder 2000 Höhenmeter hinauf, bis wir, im dichten Nebel, vor dem Eingang des Nationalparks standen. Heute wollten wir es etwas geschickter anstellen. Wir gaben uns ein Zeitlimit von drei Stunden und warteten vor dem Eingang. Alles lag im dichten Dunst, die Sicht betrug gerade mal 20 Meter. Kathi fragte traurig: „Haben wir heute wieder kein Glück?“ Plötzlich riss die Wolkendecke auf, innerhalb weniger Minuten war der Himmel blau und die Sonne schien. Wir bezahlten und fuhren zum großen Parkplatz. In einer Höhe von 3432 Metern lag der Vulkankrater eindrucksvoll vor uns. Der fast runde Hauptkrater hat einen Durchmesser von über 1000 Meter. Am Boden, in 300 Meter Tiefe, hatte sich ein kleiner grüner Kratersee gebildet. Die Zeit reichte gerade, um den Krater zu umlaufen und einige Bilder zu schießen, als neue Nebelschwaden und nachfolgende Wolken alles wieder in eine undurchdringliche Waschküche verwandelten.

Unser letztes Ziel war der Campingplatz in Belén, wo wir einen letzten gemeinsamen Tag mit unserer Tochter verbrachten. Am nächsten Vormittag hieß es, Abschied nehmen. Für eine lange Zeit wird uns nur die Erinnerung an diese gemeinsamen zwei Wochen Urlaub bleiben.